Vogt im siebten Skisprung-Himmel: Gold bei Olympia-Premiere

Sensation im Skispringen: Teenie Carina Vogt holt überraschend die Goldmedaille vor der Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz.
von  sid

Sotschi  – Carina Vogt schlug nach ihrem historischen Gold-Coup fassungslos die Hände vor das Gesicht und sank völlig überwältigt in den Schnee. Mit einer grandiosen Flugshow hat die WM-Fünfte sensationell bei der olympischen Premiere des Frauen-Skispringens triumphiert und ihre bärenstarke Saison auf dem Bakken in Krasnaja Poljana gekrönt. Nach der Bruchlandung der Männer um Severin Freund sorgte Vogt für die ersehnte erste Medaille der deutschen Weitenjäger – und für einen spektakulären Befreiungsschlag.

"Ich bin sprachlos und kann überhaupt nicht fassen, was hier passiert ist. Diesen Tag habe ich mir nicht vorstellen können", sagte Vogt wenig später: "Ich habe beim zweiten Sprung versucht, alles andere auszublenden. Die Sekunden, bis das Ergebnis kam, waren schrecklich. Ich glaube das alles nicht. Ich habe ja vorher noch kein einziges Mal gewonnen."

Die 22-Jährige aus Degenfeld, die zuvor noch nie einen Weltcup gewonnen hat, siegte völlig überraschend vor Ex-Weltmeisterin Daniela Iraschko-Stolz (Österreich) und Caroline Mattel (Frankreich). Topfavoritin Sara Takanashi (Japan) wurde nur Vierte. Es war die vierte deutsche Goldmedaille
in Sotschi. "Wir hatten mit dem zweiten oder dritten Platz geliebäugelt, da Takanashi so überlegen war. Aber Olympia und der Sport schreiben immer wieder ihre eigenen Geschichten", sagte Bundestrainer Andreas Bauer.

Vogt, die nach acht Podestplätzen im Weltcup als Medaillenkandidatin in den Wettkampf gegangen war, hielt dem Druck eindrucksvoll stand. An dem historischen Tag ging die 22-Jährige aus Degenfeld nach dem ersten Durchgang mit Bestweite von 103 Metern in Führung. Mit dem letzten Sprung des Abends auf 97,5 Meter verteidigte sie nervenstark und abgebrüht ihren Spitzenplatz – hauchdünn mit 1,2 Punkten vor Iraschko-Stolz, die als Fünfte des ersten Durchgangs mit 104,5 m im zweiten Satz die beste Weite des Abends gelandet hatte.

Olympia-Küken Gianina Ernst (Oberstdorf) landete auf Platz 28. Die mit 15 Jahren jüngste Teilnehmerin der Winterspiele war nach einem Fieberanfall geschwächt in den Wettkampf gegangen. Auch für die ehemalige Vize-Weltmeisterin Ulrike Gräßler (Klingenthal) reichte es nach zwei Tagen im Bett nur zum 22. Platz. Platz. Katharina Althaus (Oberstdorf) wurde 23. Überraschend hinterher segelte "Sprung-Floh" Takanashi, die in diesem Winter 10 von 13 Weltcups gewonnen hatte.

Die nur 1,51 Meter große WM-Zweite zeigte im wichtigsten Wettkampf ihrer Karriere Nerven und flog von der Normalschanze auf 100,0 und 98,5 Meter. Weltmeisterin Sarah Hendrickson musste sich bei ihrem Comeback mit dem 21. Platz begnügen. Die Amerikanerin hatte Ende August einen Kreuzbandriss erlitten und bestritt in Sotschi den ersten Wettkampf nach mehr als fünf Monaten. "Ich habe noch immer Schmerzen. Wären es nicht die Olympischen Spiele, wäre ich nicht gesprungen", sagte die 19-jährige Hendrickson.

Frauen-Skispringen hatte 2009 WM-Premiere gefeiert, den Antrag auf Olympia-Aufnahme wies das IOC bis 2011 jedoch mehrfach ab. In Sotschi waren insgesamt nur 30 Teilnehmerinnen am Start, die Hälfte davon Teenager. "Frauen-Skispringen ist eben eine junge Sportart", sagte Bundestrainer Bauer. Das Springen auf kleinen Schanze war der einzige Wettbewerb von Vogt und Co. bei den Winterspielen.

Für Pyeongchang 2018 hoffen die Skispringerinnen auf eine Aufnahme des Mixed-Wettbewerbs ins olympische Programm, bei dem je zwei Männer und zwei Frauen ein Team bilden. Bei der WM gibt es das Mixed bereits, 2013 in Val di Fiemme hatte Deutschland Bronze gewonnen. "Unser Sport steht noch ganz am Anfang", sagte Bauer.

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