Vlado Stenzel rechnet ab: "Frösche lernen nicht von Fröschen!"

Weltmeister-Trainer von 1978 fällt ein vernichtendes Urteil: „Ein Trauerspiel. Der deutsche Handball liegt komplett am Boden!”
Düsseldorf - Nein, ein Mann des Ausgleichs, der Diplomatie, des merkelschen Aussitzens oder Schönredens war Vlado Stenzel noch nie. Doch jetzt hat der Handball-Guru, der zu seinen Trainerzeit den Spitznamen „Magier” bekam, zu einer Totalvernichte des deutschen Handballs ausgeholt. „ Trauerspiel” und „fachliche Inzucht” – Stenzel rechnet mit der scheidenden Verbandsspitze um Präsident Ulrich Strombach ab – und stellt dem deutschen Handball ein vernichtendes Zeugnis aus. „Der deutsche Handball liegt komplett am Boden. Es ist ein Trauerspiel, dass der weltgrößte Verband nicht einmal gegen das kleine Montenegro gewinnen kann”, sagt Stenzel. Die Deutschen hatten unter Bundestrainer Martin Heuberger gegen den Kleinstaat verloren und so die Qualifikation für die EM verpasst.
Die Aus- und Fortbildung der Trainer im DHB sei das größte Problem. „Im DHB hat sich eine fachliche Inzucht breit gemacht. Aber: Frösche können nicht von Fröschen lernen zu springen. Wir lernen nicht einmal von so kleinen Ländern wie Dänemark, schon gar nicht von dem großen Verband Frankreich. Wir bedienen uns ihrer Spieler in der Bundesliga und fragen nicht danach, wie sie zu so großartigen Spielern geworden sind”, sagte Stenzel im Hinblick auf die 15-jährige Ära von Strombach, dessen Amtszeit am Samstag endet.
Stenzel, der Deutschland 1978 zum WM-Titel geführt hatte und zuvor bereits mit seinem Heimatland Jugoslawien 1972 Olympiasieger geworden war, setzt große Hoffnungen auf Strombachs designierten Nachfolger Bernhard Bauer. „Nach Regen kommt Sonnenschein. Mit der WM-Bewerbung für 2019 hat er bewiesen, dass er zu schnellem Handeln in der Lage ist”, sagte Stenzel, der Bauer aber persönlich nicht kennt. Ein Urteil über den neuen Verbandsboss traut sich der „Magier” natürlich trotzdem zu. Als Trainer habe er gelernt, auf Körpersprache zu achten. „Er wirkt energisch und resolut, aber immer auch ausgesprochen nett. Ich glaube, er kann andere mitziehen”, sagte Stenzel.
Wichtigste Aufgabe des neuen Präsidiums sei eine verbesserte Trainerausbildung. „Erfolgreicher Spieler gewesen zu sein, reicht auch für die Nachwuchsmannschaften des DHB nicht aus”, sagte der streitbare 79-Jährige. „Man muss insgesamt eine neue Kultur in und um die Nationalmannschaften schaffen”, sagte Stenzel, „es muss wieder Stolz herrschen, für dieses Land zu spielen.”