Vitali Klitschko: Tagsüber Holzhackerbua, am Abend Politiker

Nächste Woche verteidigt Vitali Klitschko seinen WM-Titel im Schwergewicht. Seine Vorbereitung ist bemerkenswert. Die AZ hat den Boxer in Going besucht - beim Training á la Rocky.
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Vitali Klitschko beim Training a la Rocky.
RTL/Neumann Vitali Klitschko beim Training a la Rocky.

GOING - Nächste Woche verteidigt Vitali Klitschko seinen WM-Titel im Schwergewicht. Seine Vorbereitung ist bemerkenswert. Die AZ hat den Boxer in Going besucht - beim Training á la Rocky.

Der Hüne stapft mit einer solchen Urgewalt durch den hüfthohen Schnee, dass es beinahe schon animalisch anmutet. Er keucht. Manchmal erfüllen Schreie, die nach Schmerzen klingen, die bitterkalte Luft. Der Atem des Hünen kondensiert zu Nebelschwaden, das Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse. Auf seinen Schultern trägt der Mann einen gut zwei Meter langen Baumstamm.

Es handelt sich bei diesen Szenen um das Training eines Boxers. Und wer sich für diesen Sport interessiert (und die zugehörigen Hollywood-Filme mag), der hat sie vielleicht mal in einem Streifen aus der Rocky-Reihe gesehen. Aber der Mann, der hier eingangs beschrieben wurde, ist nicht Sylvester Stallone, der Schauspieler. Sondern Vitali Klitschko, der reale Box-Weltmeister.

Tatsächlich hat sich Klitschko im österreichischen Going teilweise in Rocky-Manier auf seine Titelverteidigung gegen Juan Carlos Gomez vorbereitet (21. März in Stuttgart): Gewichte stemmen im Tiefschnee, Holzhacken, Bäume zersägen. „Die Rocky-Filme waren für mich immer eine Inspiration. Es hat viel Spaß gemacht“, sagt Klitschko, „leider war die Verletzungsgefahr im tiefen Schnee zu groß. Außerdem wurden die Schuhe schnell nass, da holt man sich schnell eine Erkältung. Deswegen haben wir das wieder gelassen. Aber es hat was gebracht.“

Dass Boxer zu Trainingszwecken Holz hacken oder zersägen, ist kein neues Phänomen – und auch keines, das sich ein Drehbuchautor ausgedacht hat. Schon der legendäre Jack Dempsey (1919 erstmals Weltmeister), George Foreman oder Oscar de la Hoya haben das auch schon gemacht.

„Es gibt Schlagkraft und ist auch gut für die Kondition“, sagt Klitschkos Coach Fritz Sdunek, der den Ukrainer in Going im „Stanglwirt“ auf die Titelverteidigung vorbereitet.

Jetzt setzt man im Training statt auf Schnee vermehrt auf Wasser: Dreimal in der Woche schwimmt Klitschko zwölfmal 100 Meter mit je einer Minute Pause zwischendrin. Anfangs legte er die 100 Meter in 2:45 Minuten zurück, jetzt schwimmt er sie unter zwei Minuten. Das Geheimnis der Aqua-Leistungsexplosion: „Vitali hat mir gestanden, dass er seine monströse Bermuda-Hose schnell ausgezogen hat, weil die so viel Wasserwiderstand geboten hat“, amüsiert sich Sdunek. „Psst, Fritz! Du darfst nicht alles verraten“, albert Klitschko.

Ansonsten ist eisenhartes Training angesagt. Klitschko hat sich die besten Leute für das Sparring kommen lassen. Ex-Weltmeister Chris Byrd, der ihm im Jahr 2000 die erste Niederlage seiner Profikarriere beigebracht hat – damals musste Klitschko wegen einer Schulterverletzung aufgeben. Dazu Tony Thompson, der 2008 gegen Vitalis Bruder Wladimir um die WM boxte und erst in der elften Runde ausgeknockt wurde. „Vitali trägt seinen Kampfnamen Dr. Eisenfaust zu recht“, sagt Thompson, „er hat Arme so lang wie Telefonmasten. Und es ist nicht schön, mit Telefonmasten geschlagen zu werden.“

Nach dem Sparring geht es noch an die Tischtennis-Platte. „Das ist gut für die Auge-Hand-Koordination“, sagt Sdunek. Damit ist der Tag des Boxers Klitschko beendet und der Arbeitstag des Politikers Klitschko, der im Stadtparlament von Kiew sitzt, beginnt. Vitali beendet jeden Tag mit einer 90-minütigen Videokonferenz mit den Parteikollegen.

„Ich ärgere mich, dass viele Kleinigkeiten, die in Deutschland etwa funktionieren, bei uns nicht klappen“, sagt Klitschko. „Nehmen Sie Parkhäuser! Es gibt bei uns keine Parkhäuser. Jeder parkt irgendwo, der Verkehr kommt zum Erliegen. Ich hatte den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudi Giuliani als Berater. Als der in Kiew war, staunte er über das Chaos. Und die Verschwendung. In New York nimmt die Stadt jährlich etliche Millionen Dollar durch Parkhäuser ein.“ Giuliani hat übrigens zugesagt, zum Kampf nach Stuttgart zu kommen.

Nach der Politkonferenz am Abend geht Klitschko dann ins Bett. Er sagt: „Bei der Luft hier schlafe ich wie ein Baby.“ Ein 2,02-Meter-Baby mit Rocky-Attitüde.

Matthias Kerber

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