Vitali Klitschko: "Du kannst jeden kaufen"

Zu Besuch bei Vitali Klitschko in Kiew, wo der Box-Star als Politiker gegen Korruption kämpft. Was er zu seinem "Doppelleben" sagt.
von  Hartmut Scherzer
Mit seiner Partei politisch in der Ukraine engagiert: Vitali Klitschko.
Mit seiner Partei politisch in der Ukraine engagiert: Vitali Klitschko. © dpa

Zu Besuch bei Vitali Klitschko in Kiew, wo der Box-Star als Politiker gegen Korruption kämpft. Was er zu seinem "Doppelleben" sagt.

Kiew - Vitali Klitschko kommt in einem weißen Trainingsanzug vom Fitnessstudio zum Frühstück ins Nobelrestaurant Avalon. „Halbe Stunde”, sagt der Boxchampion, dessen prunkvolles, sechsstöckiges Haus im klassizistischen Stil, Baujahr 1900, schräg gegenüber auf dem Bondana Chmelnokoho Boulevard liegt. Er bestellt drei Spiegeleier, eine Schüssel Porridge, eine Schale Quark mit Nüssen und Honig, eine Kanne Tee. Das Übliche.

Vitali Klitschko ist in diesen drei Wochen ein Gehetzter. Nicht wegen der Fußball-EM, sondern wegen der ukrainischen Parlamentswahlen am 28. Oktober. Der Parteivorsitzende der UDAR führt Wahlkampf, fuhr in die Kulturpaläste der Provinz mit dem sowjetischen Muff anno 1950 anstatt in die prunkvollen EM-Arenen der Metropolen.

Zwischendurch flog er mal schnell nach New York, um einen „Award” abzuholen, nach Hamburg, um seine Familie in den Urlaub an die Ostküste der USA zu verabschieden. Daheim in Kiew führt er immer wieder „wichtige politische Gespräche mit wichtigen Leuten”. Dazwischen noch die Eröffnung eines Kindergartens – und andere Aktivitäten, die ein Politiker halt so macht.
Und die EM? „Die Atmosphäre, die Laune im Lande ist besser geworden. Das ukrainische Volk hat bei dieser EM gewonnen, weil die ausländischen Gäste erlebt haben, wie schön dieses Land ist, welches Potenzial es hat. Das Interesse Europas an der Ukraine wird auch über die EM hinaus bleiben. Auch das Interesse an den Missständen!”

Denn das politische Klima werde unbeeinflusst bleiben. „Der Opposition wird der Prozess gemacht, oder sie sitzt schon im Knast.” Wie Julia Timoschenko. Die ehemalige Ministerpräsidentin werde so lange in Haft bleiben, wie Viktor Janukowitsch an der Macht sei. „Ich denke, das ist nicht nur politisch, sondern auch persönlich.” Klitschko bezeichnet die Ukraine als eines der korruptesten Länder der Welt. „Weil das so ist, bin ich Politiker geworden.” Beim Thema Korruption kommt er in Fahrt. Die Spiegeleier werden kalt. „Die Politiker fordern vor den Fernsehkameras zum Krieg gegen Korruption auf. Dann setzen sie sich in ihren Maybach oder Porsche, den sie sich von ihren tausend Euro im Monat gekauft haben und fahren in ihre Millionen-Villa. Man könnte genauso gut von Bienen verlangen, gegen Honig zu sein. Die Politiker leben von der Korruption. Du kannst bei uns jeden Richter und jeden Beamten kaufen.”

In der Zeit vor der EM hat er seine Popularität in den Dienst der Sache gestellt. Doch sich in der Umkleidekabine etwa mit seinem Freund Andrij Schewtschenko fotografieren zu lassen so wie Angelas Merkel mit Mesut Özil, ist ihm nicht in den Sinn gekommen. „Ich bin Fan der ukrainischen Mannschaft, aber auf deren Kosten wollte ich nicht meine Fahne schwenken. Wenn ich das getan hätte, würden die Ukrainer mich nicht mehr ernst nehmen.”

Kitschko weiß, dass er politisch einen langen Weg vor sich hat. Die Ukrainer würden glauben, alle Politiker seien Verbrecher. „Von Vitali Klitschko kann das keiner behaupten”, beteuert er. Um ja nicht in den Ruf von Vetternwirtschaft zu kommen, ist Bruder Wladimir kein Parteimitglied. „Ich möchte kein Familienbusiness machen, wie das viele andere tun”, sagt Klitschko: „So nach dem Motto: Schaut her, Ich bin arm wie eine Kirschenmaus. Seine Familie aber fährt dicke Autos und lebt in den teuersten Villen.” Janukowitschs ältester Sohn Alexander besitzt etwa vier Luxusyachten und wird in der Liste der hundert reichsten Ukrainer geführt.

Im Juli muss Vitali Klitschko noch einmal als Politiker schuften, am 19. Juli wird er 41 Jahre alt. Ab 1. August bezieht er sein Trainingscamp beim „Stanglwirt” in Tirol für eine Titelverteidigung am 8.September. Wie lange er noch dieses Doppelleben, Boxer und Politiker, führen will? „Boxen wird immer in meinem Herzen bleiben, aber ich werde bald aufhören.” 

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