Viktoria dankt der Babuschka

Die Weißrussin Azarenka gewinnt das Finale gegen Scharapowa und ist die neue Nummer 1. Ein Feierbiest, das keine Kamera scheut
Jörg Allmeroth |
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MELBOURNE. Kaum hatte Viktoria Azarenka nach all den Siegeszeremonien in der Rod Laver-Arena endlich im Spielerrestaurant ihren französischen Trainer Sam Sumyk entdeckt, lieferte die neue Tenniskönigin gleich eine erlesene Kostprobe ihres hemdsärmeligen Charmes: „Komm’ und umarm’ mich, du verdammter Bastard!", befahl die junge Australien-Open-Championesse und kündigte gleich im nächsten Atemzug „eine richtig fette Sause” in dieser tropischen Sommernacht von Melbourne an: „Es ist Zeit, mal richtig Druck abzulassen.”

Die burschikose Weißrussin gilt als ultimatives Feierbiest der Tennis-Entertainmentmaschine. Und für die lange Partynacht in den Tanzclubs von Melbourne hatte die unternehmungslustige 22-Jährige reichlich Anlass: Auf dem Centre Court der Australian Open hatte sich Azarenka im Heul- und Stöhnfinale gegen Superstar Maria Scharapowa sensationell deutlich mit 6:3 und 6:0 zum ersten Grand Slam-Titel ihrer Karriere und zugleich auf Platz eins der Weltrangliste durchgeschlagen.

Nach schwierigen ersten Jahren im Erwachsenentennis, in denen sie ihren hitzigen, heißblütigen Charakter nicht in den Griff bekam, wähnte sich die Powerfrau vorerst „am Ziel meiner Träume”: „Ich frage mich gerade: Ist das wahr oder nur ein Film?”

Azarenkas Biographie steht typisch für die neuen Karrieren osteuropäischer Spielerinnen, die fast ausnahmslos in Talentschmieden im Westen des alten Kontinents oder in den USA ausgebildet worden sind. Genau wie Scharapowa verließ die für ihre schrillen, sirenenartigen Schreie gefürchtete Weißrussin einst schon in frühen Jugendjahren ihre Heimat und siedelte sich zunächst für ein Jahr beim ehemaligen deutschen Fed Cup-Coach Klaus Hofsäss in Marbella an.

Danach, 2005, wechselte sie auf Einladung des russischen Eishockey-Legionärs Nikolai Khababulin nach Arizona – fortan finanzierte der NHL-Torwart, ein Freund der Azarenka-Familie, für 36 Monate ein aufwändiges Lehrprogramm. „Ohne ihn wäre ich heute nicht hier, mit dem Pokal und Platz eins in der Weltrangliste", sagte Azarenka, die am Samstag von Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko umgehend mit dem Vaterlandsorden der dritten Stufe ausgezeichnet wurde.

Kraftvolle Punches, gute Beine, schnelle Auffassungsgabe - das sind ihre Markenzeichen. „Sie ist körperlich so hart wie Stahl", sagt die US-Fed-Cup-Chefin Mary Joe-Fernandez, „und neuerdings hat sie auch die Nerven, um große Titel zu gewinnen." Nichts mehr zu sehen und zu spüren von jenen Black-Outs, die Azaranka selbst so beschreibt: „Wenn es nicht so lief, wie ich wollte, bin ich total zusammengefallen. Ich war verzweifelt über mich selbst." Erst lange Gespräche mit ihrer 71-jährigen Oma hätten ihr schließlich den rechten Weg gewiesen, sagt Azarenka: „Sie hat mir irgendwie den Druck von der Seele genommen. Meine Babuschka."

Genau wie ihre mitteilungsfreudige Freundin Carolin Wozniacki, die sie als Nr. 1 ablöste, lässt Azarenka das globale Internetdorf freimütig an ihrem Leben in der Tourkarawane teilhaben - via Facebook und Twitter gibt es fast in Realzeit stets die brandneuesten Nachrichten oder auch frischen Branchenklatsch. In Melbourne drehte ein Kamerateam ihres Schlägersponsors ein Vier-Minuten-Video in Azarenkas Apartment, ein für die Generation Graf unvorstellbarer Vorgang.

Ausgedehnte Shopping-Touren oder Ausflüge ins Nachtleben filmte Azarenka auch mal selbst - die bullige Newcomerin, die das Rampenlicht sucht. „Sie ist eine geborene Schau-Spielerin", sagt Trainer Sumyk, „sie liebt die große Bühne. Und jetzt noch mehr, wo sie nervlich so stabil geworden ist."

Azarenka wird die Zukunft gehören, auch wenn es keine Überspielerin mehr gibt. Das weiß auch Viktoria Azarenka: „Am Tag nach dem Sieg beginnt schon die Verteidigung von Platz eins. Und das wird schwer genug."

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