Viertelfinale: Tommy, das Märchen

Haas zieht nach grandiosem Match gegen Juschni ins Viertelfinale der French Open ein – als ältester Spieler seit 1971. Und will nun auch Djokovic schlagen: „Ich kann den Weg noch weitergehen”
von  Jörg Allmeroth

PARIS Als er 1998 zum ersten Mal nach Paris kam, schied Tommy Haas in der ersten Runde gegen Nicolas Kiefer aus. Er war gerade dem Teenager-Alter entwachsen, ein großes Talent zwar, aber noch ein Lehrling. Danach probierte es Haas immer wieder im Stadion Roland Garros, in seinen frühen Zwanzigern, Mitte Zwanzig, Anfang Dreißig. Haas trat als Nummer zwei der Welt an, mehrfach als Top Ten-Spieler, ganz spät auch einmal als Nummer 131. Aber nie trug es ihn in tief in die zweite Turnierwoche hinein.


Doch auf seine alten Tage hat der reife Haas tatsächlich noch gezeigt, dass es auch hier geht – in Paris, bei einem Turnier, das auf der persönlichen Sympathieliste des gebürtigen Hamburgers nie ganz oben stand. 15 Jahre nach seinem Debüt stand er am 3. Juni mittags um halb Eins in der kalten Frühlingssonne, reckte seine Fäuste zum Halleluja zum Himmel, er, Thomas Mario Haas, der stolze Viertelfinalist der Internationalen Französischen Tennis-Meisterschaften, der klare 6:1, 6:1, 6:3-Sieger gegen den Russen Michail Juschni.

Und der Mann, der am Mittwoch gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic (4:6, 6:3, 6:4, 6:4 gegen Philipp Kohlschreiber) auf den Platz ziehen wird: „Ich hätte es selbst nicht mehr für möglich gehalten, dass es noch mal klappt. Es ist, als ob ich gerade einen Traum lebe", sagte Haas, der älteste Starter in diesem Turnier. Und nun ältester Viertelfinalist der French Open seit 1971. Und der älteste Viertelfinalist bei einem Grand Slam-Turnier seit Andre Agassi bei den US Open 2005.


Haas ist das Phänomen des Turniers. Und einer, vor dem sein Manager Edwin Weindorfer selbst jeden Tag den Hut zieht: „Wirklich Wahnsinn, was der Bursche da leistet.”


Haas ist einer von acht Männern, die noch um den Pariser Silberpokal kämpfen. Haas als Herausforderer von Novak Djokovic, dem Capitano des Wanderzirkus – das musste man vor einem Jahr für blanke Utopie halten, ein Hirngespinst. Damals war er noch durch die Quali gezogen, hatte aber in der dritten Hauptrunde gegen Richard Gasquet verloren, mit seinen Kräften am Ende.


12 Monate später hat Haas nun auf genau jenen roten Tennisfeldern ein Comeback in der Champions League veredelt, das selbst in dieser wirbelnden, turbulenten Branche seinesgleichen sucht. „Welch eine großartige Geschichte ist dieser Haas”, sagt Ex-Profi Henri Leconte, „es ist ein bisschen wie ein Märchen.” Und nichts und niemand kann den Sturm und Drang des Alterspräsidenten bisher stören, der gegen Juschni auch das Drittrunden-Drama mit den 13 Matchbällen wegsteckte, den beinahe Fünf-Stunden-Thriller gegen den US-Riesen John Isner.


„Kein Problem”, sagte Haas, angesprochen, wie er die mörderischen Strapazen weggesteckt habe, „Ich bin absolut fit. Ich kann den Weg noch weitergehen."

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