Vettels Meisterstück

Der Weltmeister muss in Abu Dhabi als 24. starten – und fährt bei Räikkönens Sieg sensationell auf Platz drei nach vor. Vor den letzten beiden Rennen liegt er immer noch zehn Punkte vor Alonso
von  az

ABU DHABI Aus den Tank-Deppen wurden strahlende Dritte, die jubelten, wie bei einem Sieg: WM-Spitzenreiter Sebastian Vettel ist beim Rennen von Abu Dhabi von Platz 24 auf 3 gefahren und damit mit einem blauen Auge davon gekommen. Nach dem Tank-Desaster vom Qualifying hatte bei Vettels Red-Bull-Rennstall zwischen Samstag und Sonntag noch Ungewissheit geherrscht. „Bei uns laufen Wetten vom Podium bis Platz zehn”, so Motorsportchef Helmut Marko vor dem Rennen.

Die große Frage vor Start: Wie weit würde der WM-Spitzenreiter von Platz 24 aus noch nach vorne kommen können, wie viele Punkte würde er gegenüber Ferrari-Pilot Fernando Alonso verlieren? Platz sieben wäre schon „ein Riesenerfolg”, meinte Marko, er selbst habe auf „weiter vorne” gesetzt.

Und Vettel wäre wohl noch weiter vorne als Platz drei gelandet, wäre ihm nicht Daniel Ricciardo (Toro Rosso) in einer anfänglichen Safety-Car-Phase im Weg umgegangen. „Was macht er da? Der bleibt immer stehen!”, fauchte Vettel über Funk, nachdem er wegen Ricciardo, der vor ihm gebremst hatte, in ein Styroporschild gerauscht war und sich damit den Frontflügel kaputt gemacht hatte.
Mit Wut im Bauch gelang ihm dann jedoch eine fulminante Aufholjagd. Und weil Vettel drei Runden vor Schluss noch McLaren-Pilot Jenson Button überholte, Fernando Alonso jedoch hinter Sieger Kimi Räikkönen (Lotus, erster Erfolg seit Spa ’09 im Ferrari) hängen blieb, wahrte Vettel (255 Punkte) vor den letzten beiden Rennen einen Vorsprung von zehn Punkten auf Alonso (245).

Gesprächsthema Nummer eins blieb jedoch der Fauxpas vom Samstag: Teamboss Christian Horner hatte nach dem 350-ml-Desaster sehr genau überlegen müssen, wie er den Fehler seines Teams erklären wollte – und hatte dann doch keine Antwort dafür. Als der Brite sich fast sechs Stunden nach dem Qualifying stellte, blieb er wortkarg. Zusammenfassen ließen sich seine Aussagen mit einer Frage statt einer Antwort: Wo ist das Benzin hin? Nur 850 ml hatte Vettel noch im 200-Liter-Tank, als er das Auto 400 Meter vor dem Ende der Auslaufrunde unter dem Yas-Viceroy-Hotel abstellen musste. 1,2 Liter hätten es laut Regelwerk sein müssen – 350 Milliliter fehlten also. „Keinen Tropfen” habe man sonst noch gefunden, sagte Marko am Sonntagmorgen. Und ergänzte süffisant: „Sehr zum Erstaunen von Renault.” Der Motorenhersteller, der durch Vettel in der Vorwoche in Indien noch seinen 150. Sieg in der Königsklasse gefeiert hatte, war es also wohl, der die Fehlberechnung angestellt hatte.

In Verschwörungstheorien wollte sich bei Red Bull diesmal niemand verstricken. Nichts zu hören von der Argumentation, der Motorsportweltverband Fia wolle ja nur den überlegenen Vettel einbremsen, um die WM spannend zu halten. Die wahrscheinlichste Erklärung bleibt also: menschliches Versagen, irgendjemand hatte sich verrechnet. Rechnen ist nun auch vor den letzten beiden Rennen angesagt: Beim USA–GP in zwei Wochen könnte Vettel nun schon seinen dritten Titel holen, wenn er beispielsweise siegt und Alonso nicht über Platz fünf hinaus kommt.

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