Vettels Auswärtssieg
SILVERSTONE - Sebastian Vettel gewinnt ausgerechnet in Silverstone, beim Heimspiel seines Rivalen Button. Dabei wirkt der Deutsche so cool wie lange nicht. Er findet: „Von mir aus kann’s so weitergehen."
Als der Kampfjet der Royal Air Force zur Feier des Tages bedrohlich nahe am Fahrerlager seine tiefen Kreise zog, als die Mechaniker vor Red Bulls mobiler Teamunterkunft im Fahrerlager mit dem Champagner spritzten und den Helden des Tages jubelnd in die Höhe hoben, da war der blonde Junge wieder so wie immer: Er kreischte, machte kleine Freudensprünge, hob die Arme in den Himmel.
Auf dem Podium hatte Sebastian Vettel zuvor nur gelächelt. Als nach der deutschen Nationalhymne auch die österreichische zu Ehren seines Rennstalls erklungen war, hatte er kurz den Daumen gehoben, die Augen geschlossen und versonnen nach oben geblickt. Vettel feierte seinen mit einer unglaublichen Dominanz herausgefahrenen Sieg in Silverstone, den zweiten dieser Saison, seinen dritten insgesamt, zunächst eher still. Er wirkte ergriffen vom Zauber des Augenblicks, schien sich bewusst zu sein, dass er möglicherweise der letzte Sieger am Ort sein wird, an dem 1950 das erste Formel-1-Rennen stattgefunden hat.
„Es tut mir ein bisschen leid für die Fans, dass ich kein Engländer bin. Sie hätten es verdient gehabt, sich noch mehr freuen zu dürfen", sagte Vettel nach der Siegerehrung, „die Fans waren fantastisch. Sie sind alle aufgestanden und haben mir zugejubelt. Da wollte ich schon zurückwinken. Ich habe die Hände dann aber doch am Lenkrad gelassen, denn durch so etwas sind in der Vergangenheit schon ein paar komische und verrückte Dinge passiert.“ Früher hätte der immer noch erst 21-Jährige über so etwas in solchen Momenten sicher nicht nachgedacht. Früher wäre er einfach seinen Reflexen gefolgt.
Früher, das war: vor zwei Wochen.
Noch beim letzten Rennen in Istanbul hatte er gepatzt, zum zweiten Mal hintereinander. Und er hatte sein eigenes Team wegen einer fragwürdigen Taktikentscheidung offen kritisiert. Danach spürte er erstmals so etwas wie Gegenwind, zumal der WM-Führende Jenson Button hoffnungslos enteilt schien.
Seither scheint Vettel beschlossen zu haben, es neben der Strecke ein wenig ruhiger angehen zu lassen. Nach Istanbul hatte er Urlaub gemacht, fast eine Woche lang kaum mit seinem Rennstall kommuniziert. Als er am Donnerstag nach Silverstone kam, wirkte er nachdenklicher, aufgeräumter, noch konzentrierter als sonst. Und: erwachsener.
Im runderneuerten Auto fuhr er nun allen Rivalen davon. Im Rennen war er anfangs pro Runde eine Sekunde schneller als alle anderen – und brach Buttons Siegesserie ausgerechnet bei dessen Heimrennen.
Seine ersten zwei Siege hatte Vettel im Dauerregen geholt. Unter extrem schwierigen Bedingungen, bei denen er seine Rivalen nur dank seines scheinbar unermesslichen Talents hinter sich ließ. In Silverstone war es trocken. Und anders. Da musste Vettel die Ruhe bewahren, ja darauf achten, sich nicht zu langweilen am Lenkrad und aus jugendlichem Leichtsinn ein Wahnsinnsmanöver hinzulegen. „Es ist hart, ständig die Augen aufzuhalten und nie die Konzentration zu verlieren in so einem Rennen“, sagte er gestern. Aber es gelang perfekt.
Filippo Cataldo
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