Vettel: Wenigstens Vize

Sebastian Vettel gewinnt das letzte Rennen der Saison in Abu Dhabi. Eine kleine Entschädigung dafür, dass er sein großes Ziel verfehlt hat. Aber der 22-Jährige hat ja noch Zeit
ABU DHABI Ach, wenn er doch nur ein bisschen seltener ausgefallen wäre! Das pappsüß-klebrige Rosenwasser, das Sebastian Vettel in Abu Dhabi in Ermangelung von Champagner verspritzte, wäre der Siegestrunk eines Weltmeisters gewesen.
Doch Sebastian Vettel ist in diesem Jahr fünf Mal ausgeschieden. So ist der überlegene und ungefährdete Sieg Vettels beim letzten Saisonrennen in Abu Dhabi ein Triumph ohne großen Wert.
Vettel schaffte auf der gigantischen Anlage in der Wüste, die die Scheichs für 23 Milliarden Dollar aus dem Sand gestampft haben, seinen vierten Saisonsieg. Durch seine „weltmeisterliche Fahrweise“ (Niki Lauda) im ersten Rennen, das bei Tageslicht begann und in der Dunkelheit endete, sicherte sich Vettel zudem die Vizeweltmeisterschaft.
Den Titel aber ist Jenson Button geholt, der am Sonntag Dritter geworden ist. Er gewann die WM, weil er in der ersten Saisonhälfte das beste Auto hatte und weil er wesentlich konstanter war als Vettel.
Der erst 22-Jährige war über das Jahr gesehen dafür in den Qualifikationsdurchgängen der Beste, keiner startete statistisch gesehen von so weit vorne wie Vettel. Doch mit fünf Ausfällen in einer Saison ist noch kaum ein Fahrer Weltmeister geworden. Drei Mal war Vettel selber schuld, beim Saisonauftakt in Melbourne wehrte er sich zu sehr gegen den deutlich schnelleren Robert Kubica von BMW und schoss ihn und sich ab.
Beim nächsten Rennen in Malaysia schwemmte ihn der Monsun von der Strecke, in Monaco landete er in der Mauer. Zwei Mal platzte zudem im Rennen sein Motor.
„Ich war mit 22 ein viel schlechterer Fahrer als jetzt. Nicht unbedingt langsamer, aber lange nicht so clever. Das hat man ja auch an Sebastian gesehen. Er hat genügend Fehler gemacht, das hat mir geholfen“, sagte Jenson Button der „BamS“. Und nein, langsam ist Vettel nicht gewesen. Bei den meisten Rennen war er der schnellste Fahrer im Feld. „Sebastian war der beste Fahrer. Aber Weltmeister ist ein anderer geworden“, sagt sein Teamchef Christian Horner.
Button eben. Auch weil Vettel am Ende etwas „zu übermotiviert“ war, wie der dreimalige Weltmeister und RTL-Experte Niki Lauda glaubt. Tatsächlich wirkte Vettel in den letzten Monaten etwas verkrampft. Er hatte den Titel vor Augen – und verlor viel von seiner ihm angeboren erscheinenden Lockerheit. Nach seinem Sieg in Japan beim drittletzten Rennen hatte er sich den Bart wachsen lassen. Er wollte reifer wirken, Stärke demonstrieren. Doch es nutzte alles nichts. Als Button in Brasilien tatsächlich Weltmeister wurde, zickte Vettel rum. Es kostete ihn viel Überwindung, Button zu gratulieren.
Vettel gewinnt lieber. „We did it again“, brüllte er in sein Helmmikrofon. Als ob Siege selbstverständlich wären für ihn. Vier Siege hat er dieses Jahr geholt, einen letztes Jahr. Vier Siege in einem Jahr haben außer Michael Schumacher und er kein anderer deutscher Fahrer geholt. Ein Sieg fehlt Vettel nun noch, um auch der zweiterfolgreichste deutsche Pilot überhaupt zu werden. Aber dieser Titel wird Vettel noch weniger bedeuten als die gestern errungene Vize-Weltmeisterschaft. Sebastian Vettel hat ganz andere Ziele. fil