„Vettel muss aufpassen“

Der WM-Zweite gerät im eigenen Team unter Druck. Sein Chef verweigert ihm den Nummer-1-Status.
NÜRBURG Ja, Sebastian Vettel liegt voll im Plan. Die deutsche Formel-1-Hoffnung hat am Nürburgring durch seinen zweiten Platz Boden gut gemacht auf WM-Spitzenreiter Jenson Button. 21 Punkte beträgt der Rückstand, und Vettel scheint das klar stärkste Auto im Feld zu haben.
Und doch fährt Vettel auch als Verlierer zurück in seine Schweizer Wahlheimat. In Mark Webber hat er ausgerechnet seinen Stallgefährten als Konkurrenten um den Titel dazugewonnen. Der Australier liegt nach seinem Sieg nur 1,5 Punkte hinter dem 22-Jährigen. Und Webber hat seinem zehn Jahre jüngeren Stallgefährten den Kampf angesagt. „Ich werde mich nicht damit begnügen, nur nahe an ihm dran zu sein", sagte er. Acht Jahre in der Vollgas- und Egogesellschaft haben ihn gestählt: „Es gab einige im Team, die an mir gezweifelt hatten. Schönen Gruß auch an sie."
Bei Red Bull ist die Botschaft angekommen. „Die beiden fahren gegeneinander", sagt Red-Bull-Chefdesigner Adrian Newey. Teamchef Christian Horner verglich Webber sogar mit Nigel Mansell, jenem britischen Publikumsliebling, dem im Herbst seiner Karriere der Durchbruch gelang. „Mark ist stärker denn je", sagte Horner, „bei uns gibt es keine Nummer 1." Das ist umso erstaunlicher, weil Horner in der AZ angekündigt hatte, das Auto bei den nächsten Entwicklungsschritten voll auf Vettels Fahrstil abstimmen zu wollen.
Doch so ganz scheint Horner Vettels Fahrkünsten noch nicht zu trauen. Also lässt er seine beiden Fahrer gegeneinander ran. So muss Vettel nun nicht nur auf Button, bei Brawn Nr. 1, schauen, sondern auch auf denn Stallgefährten. Angst, dass sich die beiden im WM-Kampf Punkte wegnehmen, hat Horner nicht.
Für Formel-1-Legende Niki Lauda ist das verständlich: „Sebastian hat in dieser Saison schon einige Fehler gemacht. Der Junge ist ein Top-Talent, vielleicht der talentierteste von allen, aber ihm fehlt noch ein bisschen die Konstanz." Webber fährt konstant gut. „Mark hat jetzt durch seinen ersten Sieg das richtige Selbstvertrauen gefunden. Der erste Sieg ist der schwierigste – die anderen kommen leicht", sagt Lauda. Und warnt: „Vettel muss jetzt aufpassen."
Vor allem aber darf sich der Heppenheimer jetzt nicht schmollend zurückzuziehen. „Wichtig ist nur, dass wir beiden gegenüber völlig transparent sind und es zwischen den beiden fair abläuft", sagt Horner und warnt Vettel damit auch. Einen Stallkrieg, wie jener vor zwei Jahren zwischen Fernando Alonso und Lewis Hamilton, der letztlich beide den Titel gekostet hat, wird er nicht dulden. „Vettel muss den Konkurrenzkampf annehmen", fordert auch Ex-Formel-1-Fahrer und Sky-Kommentator Marc Surer. „Red Bull handelt genau richtig."
Es sei noch zu früh, eine Nummer 1 im Team zu benennen. Surer: „Irgendwann wird das Team ein Machtwort sprechen müssen, aber erst, wenn einer der beiden sich einen klaren Vorteil verschafft hat."
Filippo Cataldo