Verzockt: Boris pokert zu hoch

Armer Boris: Alles gesetzt, alles verloren – und das als erster am Tisch. Der Ex-Tennis-Star blamiert sich beim Pokern gründlich.
von  Abendzeitung
Was Becker auch angeht, zuletzt ist es ihm missglückt.
Was Becker auch angeht, zuletzt ist es ihm missglückt. © ap

Armer Boris: Alles gesetzt, alles verloren – und das als erster am Tisch. Der Ex-Tennis-Star blamiert sich beim Pokern gründlich.

Nun ja, sagt Sven Steil, „das ist jetzt eher suboptimal gelaufen“. Nein, wirklich zufrieden sein kann er nicht, der „Marketing Consultant im deutschsprachigen Raum“ von „Poker-Stars.de“. Immerhin hat sein größter Star, sein „internationales Testimonial“, also sein Zugpferd Nr. 1, sich gerade gründlich blamiert. Sang- und klang- und weitgehend wortlos hat Boris Becker das Feld geräumt, beziehungsweise den schwarzbefilzten Poker-Tisch hoch über Berlin. Alles gesetzt, alles verloren – und das als erster am Tisch. Nach 35 Minuten waren die 3000 Dollar weg. Zum Glück war’s nur Spielgeld.

Man kann's ausdrücken wie man will. Er hatte schlechte Karten, er hat schlecht gespielt, oder er hat einfach wieder mal Pech gehabt – wie schon so oft. Armer Boris.

Fast kann er einem ein bisschen leid tun. Was immer er anpackt in letzter Zeit, es will nicht recht gelingen. Und es schleicht sich nicht nur hier im „Solar“, einer „Skybar“ mit Siebziger-Jahre-Charme, der Verdacht ein, als sei der Boris mal wieder nicht richtig bei der Sache.

Gerade mal ein halbes Jahr ist es her, da wollte sich der berufsjugendliche Held so vieler Schlachten neu erfinden: Diesmal als sorgender Vater, Werteprediger und Mahner in Sachen Familie: Väter hätten für ihre Kinder da zu sein, heißt es in Boris Beckers gefühlsvollen „Familienratgeber“ namens „Was Kinder stark macht“. Legitimiert und erfahren als dreifacher Vater präsentierte sich der einstige Tennis-Hero da als „Häuptling des Stammes Becker“, der viel von seinen Kindern gelernt habe und der die Weisheit nun an die Leserschaft weiter geben wolle: „Erwachsene dürfen nie vergessen, dass sie selbst mal klein waren“, mahnt der 40-jährige Freund vieler Frauen und: „Wenn ich mit meinen Söhnen spiele, dann sehe ich, wie wichtig es ist, dass ich mitmache, sie ernst nehme, sie lobe oder kritisiere.“

Nun, es gibt offenbar noch Wichtigeres. Der Ausflug ins gesetzte Milieu des Familienvaters oder -Patriarchen ist erst mal unterbrochen. Denn hier und heute geht es um ein Comeback – und das ist einem Milieu, in dem Familienwerte wie Fürsorge und Solidarität, Nachsicht und Mitgefühl wenig angesagt sind: „Boris is back“ wirbt Pokerstars.de und verkündet stolz, dass der dreimalige Wimbledon-Sieger sich in den Dienst des „weltweit größten Online-Pokerraums“ gestellt habe. Für welche Summe? Darüber, da bittet Sven Stil um Verständnis, gebe es keine Auskunft.

„Schon in Wimbledon, als es geregnet hat“, da habe er auch gepokert, also mit ganz anderen Assen gespielt, sagt Becker. Nein, es sei gar kein Glücksspiel, „Ehrgeiz, Disziplin und Geduld“, das seien die wahren Qualitäten eines guten Pokerspielers. Und ja: „Die Geduld könnte noch meine größte Herausforderung werden.“ Da hat er recht, wie seine Tagesform beweist.

Acht Finalisten haben sich aus dem hunderttausende zählenden Heer der Online-Pokerer qualifiziert für ein Turnier „Deutschland pokert gegen Boris“. So sitzen acht Männer zwischen 20 und 55, vom Typ Computer-Nerd bis Althippie am Tisch mit dem Tennis-Gott und sind am Ende wenig beeindruckt. „Ein bisschen schemenhaft“ habe Boris gespielt, sagt Raymund Köhler. „Er hat halt noch nicht so die Erfahrung“, meint ein anderer gönnerhaft. Auch die anderen am Tisch – Offsetdrucker, Webdesigner, Ingenieursstudent – freuen sich offenbar über ein bisschen Glamour und leicht verdientes Geld: „Er hat sich auch selbst verraten“, sagt einer, der seinen Namen aber nicht nennen will, seinen Beruf auch nicht, weil: „In Deutschland darf man noch nicht Poker-Profi sein.“

Damit, sollte Becker dieses Ziel haben, müsste er also noch warten. Und ganz offenbar fehlt ihm auch noch das Rüstzeug. Nur scheinbar unbeteiligt sitzt er am Tisch, er versteckt sein Gesicht hinter dem Handegelenk mit der dicken Uhr dran. Und lässt sich im entscheidenden Moment doch auf eine Bieterschlacht ein, die er grandios verliert. Er hat zwei Buben, pardon „Jacks“ sagen die Profis, und der andere hat einen „Flush“ – fünf Karten in einer Farbe.

„Ich weiß auch nicht, warum er sich darauf eingelassen hat“, sagt Philip Luhmann. Der Student kassiert 5000 Dollar „Kopfprämie“, weil er Boris rausgehauen hat. Zwanzig ist er, in dem Alter hatte sein Opfer schon zwei Mal Wimbledon gewonnen. Lang ist's her.Matthias Maus

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