Verena Bentele: "Spannend ist: Steh ich das durch?"

Die blinde Ex-Biathletin Verena Bentele fährt am Wochenende auf dem Tandem 540 Kilometer.
München - „Ich will an meine Grenzen kommen, ich will merken ,Hier bin ich am Anschlag’“, sagt die Münchnerin Verena Bentele, die blinde Ex-Biathletin und Ex-Langläuferin, die in ihrer Profikarriere eigentlich schon alles gewonnen hat, was man gewinnen konnte. Sie braucht den Adrenalin-Kick, auch im Profisportler-Ruhestand. An diesem Wochenende fährt sie beim Radrennen „Styrkeprøven“ von Trondheim nach Oslo.
Sie fährt Tandem, denn Bentele ist blind. Vorne auf dem Rad sitzt Wettkampfpartner Alexander Heim, hinten sie. „Wie beim Biathlon oder Langlauf spielt das Vertrauen in den Partner eine große Rolle. Aber ich bin es nicht anders gewöhnt und verlasse mich voll auf die Ansagen von Alex. So wie die, dass ich mitbremsen soll, mich in die Kurven mit hineinlege oder auf seine Ansage bei Bergabfahrten in den Wiegeschein wechsele.“
Das Rennen führt die beiden durch die Mittsommernacht in Norwegen, 540 Kilometer ist es lang, rund 3400 Höhenmeter werden sie überwinden. „Wir wollen ankommen, am liebsten unter 24 Stunden, das ist unser Ziel“, sagt sie. Die Schnellsten schaffen es in 13 Stunden.
Im Training war die längste Strecke, die sie am Stück fuhren, 180 Kilometer: einmal um den Genfer See. Länger saß sie noch nie im Tandemsattel. „Das Spannende ist jetzt: Steh’ ich das durch?“
In Norwegen sind Bentele und Heim zwei von rund 9000 Radlern, die mitfahren. Viele sind nur auf Teilstrecken dabei, gut 2500 fahren die gesamte Strecke. Ob sie die einzigen mit einem Tandem sein werden, weiß sie nicht, aber definitv ist sie als blinde Radfahrerin eine Ausnahme.
Vergangenes Wochenende, als sie mit ihrem Partner am Bodensee in Richtung Bregenzer Wald fuhr und sie über eine Regenrinne in der Straße radelten, sind ihnen Reifen und Schlauch geplatzt. „Dann musste der Alex das Rad flicken, ich konnte nur daneben stehen und warten – wenn uns das Material in Norwegen im Stich lassen würde, wäre das definitiv blöd“, sagt sie.
Es sind der Ehrgeiz und das Sportlerherz, das sie antreiben. „Ich brauche diese Herausforderungen, immer wieder.“ Im Februar erst stieg sie auf den Kilimandscharo. Jetzt fährt sie 540 Kilometer Rad.
Die Zeit dafür schaufelt sie sich frei, denn eigentlich ist sie ständig unterwegs: Nach der Profikarriere hat sie sich ein neues Standbein als Trainerin für Motivation und Kommunikation aufgebaut und ist vor der bayerischen Landtagswahl am 15. September viel für die SPD im Beraterteam von Christian Ude unterwegs. „Oft sitze ich schon um fünf oder sechs Uhr auf dem Hometrainer und fahre meine ersten Kilometer.“ Aber der Kick ist es ihr wert.
Die nächste Herausforderung hat sie sich schon ausgesucht: Sie will im Oktober den München-Marathon mitlaufen – und vielleicht mal einen Triathlon.