"Usain Bolt ist jetzt endgültig unsterblich"

Bei Olympia 1960 gewann der heute 79-jährige Hary zwei Mal Gold (100 m und 4-x-100-m-Staffel), 1961 beendete er die Karriere.
AZ: Herr Hary, Usain Bolt hat sich in Rio zum dritten Mal nach 2008 und 2012 Olympisches Gold über die 100 Meter erlaufen, das hat vor ihm noch keiner geschafft. Was sagt der erste Mensch der Welt, der die 100 Meter in 10,0 Sekunden gelaufen ist, über Jamaikas Wunderläufer?
ARMIN HARY: Man kann ihm nur gratulieren. Er ist der absolut schnellste Mann der Welt, da gibt es keine zwei Meinungen. Ich hatte die Ehre, das auch einmal zu sein, aber Bolt ist sicher ein Läufer, über den man auch in 20, 30 Jahren noch sprechen wird. Er ist das Gesicht der Leichtathletik, die ja leider an Typen, an wiedererkennbaren Gesichtern arm ist.
Bolts großes Ziel ist es ja, das Triple-Triple zu schaffen, also zum dritten Mal bei Olympia Gold über die 100 Meter, 200 Meter und in der 4-x-100-m-Staffel zu holen.
Ich traue ihm das absolut zu. Er dominiert die Konkurrenz, er ist der Mann, den es zu schlagen gilt. Er ist der prägende Athlet seiner Ära. Sicher, er hat das Glück, dass er in einer Zeit geboren wurde, in der er nicht auf Asche rennen musste, sondern auf der Tartanbahn. Gerade mit seinem großen Körper ist er für die Tartanbahn geboren, auf Asche hätte er keine Chance. Aber ich gönne ihm den Erfolg. Mir gefällt die Lockerheit, mit der er auftritt. Nur aus der Lockerheit kommt die Kraft, das war bei mir nicht anders. Und mit seiner Show begeistert er die Massen.
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Bolt sagt, er wolle eines Tages in einem Atemzug mit einen Muhammad Ali genannt werden. Ist dieser Vergleich dann doch zu anmaßend?
Für die Leichtathletik hat er schon eine ähnliche Bedeutung. Man kann auf jeden Fall sagen, dass er jetzt mit diesen weiteren Erfolg hier bei Olympia endgültig unsterblich geworden ist.
Wobei gerade über dem 100-Meter-Sprint nach den unzähligen Dopingbefunden der letzten Jahrzehnte immer ein dunkler Schatten liegt.
Ja. Unbeschwerte Freude hat ja auch immer etwas mit Spontaneität zu tun. Leider ist einem diese Freude bei den 100 Metern abhandengekommen, weil man ja eigentlich immer ein paar Tage warten muss, bis die Befunde der Dopingproben vorliegen. Erst dann darf man jubeln – und eigentlich auch dann nicht. Es ist sicher so, dass in Jamaika nicht intensiv getestet wird. Aber Fakt ist auch: Bolt wurde nie positiv getestet und auch bei ihm muss die Unschuldsvermutung gelten.
Anders als etwa bei Bolts größtem Konkurrenten, dem Amerikaner Justin Gatlin. Bei ihm muss man sich schon fragen, er wurde zwei Mal des Dopings überführt und läuft jetzt schneller als damals.
Da muss man sich nicht mehr fragen. Diese Frage hat man sich jahrelang gestellt – und man weiß die Antwort. Ich habe mich immer für lebenslange – oder zumindest zehnjährige – Sperren für überführte Doper ausgesprochen. Aber man muss andererseits auch sagen, wenn man einige von diesen bekannten Gesichtern aus dem Verkehr ziehen würde, dann wäre die Leichtathletik tot. Aber ich darf mich jetzt nicht zu sehr aufregen, die Dopingthematik bringt mein Blut immer in Wallung,
Das IOC hat nicht einmal die russischen Athleten, bei denen systematisches Staatsdoping nachgewiesen wurde, von den Spielen ausgeschlossen.
Damit hat man eine historische, eine einmalige Chance verpasst. Wenn man nicht einmal in diesem Fall durchgreift, darf man sich auch nicht wundern, dass die Dopingproblematik uns weiterbegleitet – und auch noch ewig weiterbegleiten wird.
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Was sagen Sie zu den deutschen Sprintern? Julian Reus ist im Vorlauf gescheitert.
Ich verstehe das nicht. Ich will ja nichts Negatives über unsere deutschen Athleten sagen, aber mir ist das einfach ein Rätsel. Wie kann einer, der einen deutschen Rekord nach dem anderen aufstellt, der ein 10,0-Läufer ist, bei so einem Großereignis dann nur 10,34 Sekunden laufen und im Vorlauf ausscheiden?
Fehlt da die mentale Härte?
Sprint ist der Kampf Mann gegen Mann. Da ist es egal, welche Zeit man läuft, wichtig ist nur, dass man gewinnt. Das hat mit Hunger und Härte zu tun.
Es wurde viel über mangelnde Wertschätzung und die zu geringen Prämien für Olympiasieger diskutiert.
Ach, was! Die haben doch fast himmlische Zustände. Sie fahren von einem Trainingslager ins andere, verdienen durch den Kommerz gutes Geld. Und das sind alles Vollprofis. Ich bin zu meiner Zeit um sechs Uhr aufgestanden, stand um sieben an der Drehbank – und habe trotz allem voll trainiert. Nicht die Prämien sind entscheidend, sondern der Wille.