Usain Bolt: Der Alleinunterhalter

Usain Bolts größter Rivale Gay sagt den 200-Meter-Start ab. Droht nun Langeweile? „Der Sport lebt in erster Linie von den Helden.“
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Bolts Spaß mit dem Team-Kollegen: Asafa Powell (r.) geht in Deckung.
dpa Bolts Spaß mit dem Team-Kollegen: Asafa Powell (r.) geht in Deckung.

Usain Bolts größter Rivale Gay sagt den 200-Meter-Start ab. Droht nun Langeweile? „Der Sport lebt in erster Linie von den Helden.“

BERLIN Die Siegerehrungen bei der Leichtathletik-WM finden im finstersten Winkel des Olympiastadions statt: vor den grauen, leblosen Treppenstufen unterhalb des Marathontors. Doch wenn Usain Bolt dort aufs Treppchen steigt, gewinnt selbst dieser triste Ort an Farbe. Als die Hymne verklungen war und die Medaillengewinner sich zum Foto aufstellten, ging dem Show-Weltrekordler mal wieder der Clown-Gaul durch. Mit Zeige- und Mittelfinger machte er Landsmann Asafa Powell Hasenohren.

Powell duckte sich weg, machte gute Miene zum erniedrigenden Spiel. Der Zweitplazierte Tyson Gay schaute mit Angela-Merkel-Mundwinkeln demonstrativ in eine andere Ecke des Stadions. Ein paar Stunden später sagte er seinen Start über 200 Meter ab. Offizielle Begründung: Leistenbeschwerden. Der Amerikaner will sich für die Staffel schonen. Es könnte sich aber auch um eine verletzte Seele handeln. Oder um die durchaus begründete Sorge, auch als Weltjahresbester mal wieder weit hinterherzulaufen. Hinter Usain Bolt.

Die Faxen des flinken Jamaikaners kommen beim Großteil des Publikums prima an, lösen aber auch Kritik aus: „Was der für einen Zirkus veranstaltet. Ganz ehrlich, da fehlt mir der Respekt vor den Gegnern“, schreibt der deutsche Sprinter Stefan Schwab in seinem WM-Tagebuch, „Fair Play sieht anders aus.“

Andererseits: Ohne den Überflieger aus Trelawny Parish hätte die WM lange nicht so viel Aufmerksamkeit wie sie derzeit bekommt. „Bolt ist momentan ein absoluter Glücksfall“, sagt Veit Wolff, Ex-Leichtathlet und Vertriebsmanager bei der Sponsoringberatung „Sport + Markt“, „er ist ein absolut faszinierender Typ und auch Athlet, war Fachkreisen schon mit 14 ein Begriff. Die Faszination, die von ihm ausgeht und auch die Art, wie er sich präsentiert, ist sicher ein Plus für die Leichtathletik. Auch andere Sportarten leben in erster Linie von den Helden.“

Doch wenn nun schon die größten Konkurrenten noch vor dem Rennen die Segel streichen, droht wegen Alleinunterhalter Bolt nicht Eintönigkeit? Nein, sagt Wolff: „Selbst, wenn er die nächsten fünf Jahre ständig mit großem Abstand gewinnen sollte, glaube ich nicht, dass das der Sportart schadet oder zu einer grundsätzlichen Langeweile führt. Bolt wird auch als Zugpferd für andere Disziplinen seinen Zweck erfüllen.“

Bolts Mätzchen sieht Wolff allerdings kritisch: „Er schießt sicher aufgrund seiner jungen Jahre übers Ziel hinaus. Die Konkurrenz zu demütigen, so wie im Finale von Peking, als er nach 60, 70 Metern austrudeln ließ, das sollte er in Zukunft sicher lassen. Das macht ihn für die Vermarktungsseite zumindest problematisch“, so Wolff, „ich glaube nicht, dass jede Firma so einen überzogenen Show-Man als Testimonial-Partner möchte. Für eine Bank oder Versicherung ist er sicher nicht der Richtige.“

Trotz Kritik und Dopingverdacht ist Bolt für viele Athleten Inspiration. Sprint-Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser erzählt: „Ich habe meiner Freundin eine SMS geschrieben: Dieser Junge ist auf keinen Fall menschlich. Dann bin ich ins Bett gegangen und habe mir gesagt: Und jetzt bist du dran!“ Und 400-Meter-Olympiasieger LaShawn Merritt sagt: „Ich freue mich, dass Bolt im nächsten Jahr die 400 Meter laufen will. Ich messe mich immer gerne mit starken Gegnern.“ Vielleicht sollte er sich mal mit Tyson Gay unterhalten.

Thomas Becker

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