Interview

Urologe über Hodenkrebs: "Diese Tumore sind sehr gut heilbar"

Bei Dortmunds Haller wurde Hodenkrebs diagnostiziert. Urologe Alexander Karl klärt auf.
von  Martin Wimösterer
An Hodenkrebs erkrankt: Dortmunds Sébastien Haller.
An Hodenkrebs erkrankt: Dortmunds Sébastien Haller. © Foto: dpa

AZ: Herr Prof. Karl, in den vergangenen Monaten hat es drei Fälle von Hodentumoren bei Fußballern gegeben. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Fußball und der Erkrankung, oder ist das reiner Zufall?PROF. DR. ALEXANDER KARL: Das ist vermutlich reiner Zufall. Es handelt sich um einen eher seltenen Tumor, der allerdings in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren das höchste Erkrankungsniveau hat. Es gibt unterschiedliche Studien, die sich damit beschäftigt haben, ob Fußball oder der Radsport auf die Entstehung eines Hodentumors einen Einfluss haben könnten. Es zeigte sich hier jedoch keine signifikante Korrelation. Es ist wohl auch anzunehmen, dass die Betroffenen die Diagnose eines Hodentumors früher lieber für sich behalten haben und vielleicht weniger kommuniziert haben.

Regelmäßige Vorsorge ist wichtig 

Es war ja eine Art Tabu-Thema - Hodenkrebs betrifft einen privaten Männerbereich. Hat sich diese Tabu-Haltung inzwischen geändert?
Ich finde schon. Heute spricht man offener über eine Krebserkrankung als in der Vergangenheit. Ich empfinde es als sehr positiv, dass bekannte Sportler nun über dieses Thema sprechen wollen und somit ein Bewusstsein für diese Erkrankung schaffen können. Das Thema betrifft ja nicht nur die Fußballer.

4.200 Männer sind laut Robert-Koch-Institut jährlich von der Erkrankung betroffen.
Sie ist insgesamt sehr selten, aber bei Männern zwischen 20 und 40 Jahren die häufigste Tumorerkrankung. Es gibt für die Erkennung von Hodentumoren keine klassischen kassenärztlichen Vorsorgeuntersuchungen. Die Empfehlung ist daher an jeden jungen Mann, sich regelmäßig an den Hoden abzutasten. Hier sollte besonders auf die Oberflächenbeschaffenheit des Hodens, eine neu beobachtete Größenveränderung oder eine tastbare Verhärtung geachtet werden.

"Die möglichen Therapien sind unterschiedlich aggressiv"

Wie stehen die Heilungschancen bei Hodenkrebs?
Diese Tumore sind in den meisten Fällen sehr gut heilbar. Man hat eine Überlebenswahrscheinlichkeit von circa 97 Prozent, wenn man alle Tumorstadien zusammennimmt. Aber: Man erkauft sich diese hohe Heilungsrate durch teilweise unterschiedlich aggressive Therapien. In manchen Fällen reicht eine kleine Operation zur Entfernung des Hodens. Das muss man sich wie bei einer Leistenbruch-OP vorstellen. Nach ein, zwei Wochen ist man wieder fit. Wenn sich bereits Metastasen gebildet haben, ist in der Regel eine Chemotherapie nötig.

Wie schnell kommt ein betroffener Spieler zurück zu seiner alten Leistungsfähigkeit?
Das ist individuell sehr unterschiedlich. Zum Beispiel werden Chemotherapien unterschiedlich gut vertragen. Bekannt ist das Beispiel Lance Armstrong.

"Eine Chemotherapie kann die Lungenfunktion beeinträchtigen"

Der Ex-Radfahrer, der nach seiner Hodenkrebs-Behandlung siebenmal die Tour de France gewann - unter Zuhilfenahme von Dopingmitteln.
Armstrong war voll leistungsfähig. Ob nun mit Doping oder nicht, das weiß ich nicht. Man kann sich schon vorstellen, dass ein Sportler, der natürlich besser trainiert ist als ein Normalbürger, eine Chemotherapie besser wegstecken kann. Die Therapie kann aber in manchen Fällen die Lungenfunktion beeinträchtigen oder die Gefäße angreifen.

Welche psychologischen Effekte beobachten Sie bei Patienten mit Hodenkrebs?
Am Anfang ist es meistens ein totaler Schockmoment. Da handelt es sich ja um eine junge Person, die sich in ihrem Leben mit bösartigen Tumoren oft noch gar nicht beschäftigt hat. Das Erste, was ich sage, ist, dass es zu fast 100 Prozent heilbar ist. Das fängt viele wieder auf. Doch auch hier gilt: Jeder ist unterschiedlich. Es gibt auch die Patienten, die sich das sehr zu Herzen nehmen. Dann nehmen wir Kontakt zu einem Psychoonkologen auf.

"So ein Tumor ist leicht selbst zu erkennen"

Vor jeder Saison sind die Bundesligisten verpflichtet, bei ihren Spielern einen Medizin-Check abzunehmen. Eine Überprüfung auf Hodenkrebs ist bislang nicht verpflichtend. Braucht es diese Pflicht?
Es ist ein seltener Tumor. Ich sehe es nicht so, dass das privilegiert für Fußballer gemacht werden sollte. Jeder junge Mann sollte sich regelmäßig selbst abtasten. Es ist leicht, es selbst zu erkennen: der Hoden ist schwer, da ist etwas hart... Das wäre der erste Schritt.

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