Uns Jogi

Deutschland steht im EM-Finale, der Zwei-Jahres-Plan seit der WM 2006 geht auf: Wie Bundestrainer Löw zum Helden eines neuen Sommermärchens aufgestiegen ist.
von  Abendzeitung
Bei solchen Siegen und solchem Lob kann auch ein Jogi Löw mal abheben. DFB-Chef Zwanziger nennt ihn „die Persönlichkeit, die unser System am besten umsetzen kann.“
Bei solchen Siegen und solchem Lob kann auch ein Jogi Löw mal abheben. DFB-Chef Zwanziger nennt ihn „die Persönlichkeit, die unser System am besten umsetzen kann.“ © rauchensteiner/Augenklick

Deutschland steht im EM-Finale, der Zwei-Jahres-Plan seit der WM 2006 geht auf: Wie Bundestrainer Löw zum Helden eines neuen Sommermärchens aufgestiegen ist.

TENERO Tatsächlich, der Mann hat Augenringe. Hatte man ja kaum für möglich gehalten. Aber Joachim Löw war tatsächlich gezeichnet vom Halbfinale, als er zur DFB-Pressekonferenz im Trainingszentrum Tenero erschien. Der erste Griff ging zum Becher mit einem frischen Espresso. Legales Doping für die Sinne.

Es war ja auch eine kurze Nacht für den Bundestrainer gewesen: Die Anspannung des Spiels, die nächtliche Rückreise von Basel per Charterflug ins Quartier nach Ascona, die Aufarbeitung des Erlebten.

Löw hat das Finale erreicht, im ersten Anlauf. Gewinnt der 48-Jährige am Sonntag den EM-Titel, wäre er neben Jupp Derwall (EM 1980) der einzige Bundestrainer, der gleich sein erstes großes Turnier gewinnt. Löw hat die Chance.

„Das ist eine sehr schöne Erfahrung für mich“, sagte er. „Bei den letzten beiden Turnieren als ich dabei war – beim Confed-Cup 2005 und bei der WM 2006 – sind wir jeweils im Halbfinale gescheitert. Nun das Finale erreicht zu haben, ist für mich persönlich etwas ganz Besonderes – das genieße ich.“ Augenringe? Egal. Die Glückshormone zählen.

Da ist der sportliche Erfolg, die Genugtuung, dass all das Geplante, der Zwei-Jahres-Plan seit der WM, aufgeht. Löw hat Kompetenz bewiesen, sich vorm Portugal-Spiel im rechten Moment mutig und offen für ein Abweichen von seiner taktischen Linie gezeigt. Und wenn der Erfolg da ist, kommt das Lob. Von allen Seiten. Von höchster Stelle.

Viel schöner für Löw aber sind Sprechchöre im Stadion wie am Mittwochabend in Basel. „Es gibt nur ein’ Jogi Löw“, skandierten die Fans. So viel Zuneigung hat einst nur Rudi Völler, Teamchef von 2000 bis 2004, erfahren. Längst hat auch Löw Volksheld-Status à la Ruuudi erlangt, auch weil die Menschen ihn als charmanten Strategen und nicht nur als Sonnyboy à la Jürgen Klinsmann wahrnehmen. Die Gruppe Kolibris brachte nun ein Single heraus mit dem Titel: „Wir haben ein Idol – Jogi Löw.“ Er ist der Sommermärchen-Held 2008. Uns Jogi.

Dessen Job allerdings auf der Kippe stand. Eine Pleite im letzten Gruppenspiel gegen Österreich hätte das Vorrunden-Aus bedeutet. Noch kein Bundestrainer hat so eine Schmach bislang im Amt überstanden; bei Löw wäre eine Ausnahme gemacht worden, behauptet zumindest DFB-Präsident Theo Zwanziger im Nachhinein.

Er hätte „keinen Rücktritt akzeptiert“, sagte Zwanziger der „Welt“. „Das kam überhaupt nicht in Frage. Wenn er gesagt hätte, er kann unter diesen Umständen nicht weitermachen, hätte ich ihn gebeten, eine Woche darüber nachzudenken. Und ich hätte alles unternommen, ihn umzustimmen.“

Löws Vertrag läuft bis zur WM 2010, die konzeptionelle Planung beruht auf seinem Fundament. Zwanziger: „Das Team mit Löw und Bierhoff steht. Es ergänzt sich, das sind alles keine Wichtigtuer und Streithansel. Sie arbeiten konzentriert zusammen. Ich bin wirklich stolz auf die Jungs. Die Konzeption ist alternativlos. Und ich sehe keine Alternative zu Joachim Löw. Er ist im Moment die Persönlichkeit, die unser System am besten umsetzen kann.“

Er. Uns Jogi. Solch ein Spitzname war früher nur Stürmer-Idol und Fanliebling Uwe Seeler vorbehalten. „Wenn einer so gut arbeitet und so beliebt ist wie er, dann sollte man ihn ruhig so nennen“, sagte Seeler der AZ, „er hat’s verdient: Uns Jogi – das klingt doch wunderbar.“

Patrick Strasser

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