Überflieger Holzdeppe und sein Po-Problem
Moskau – Die Nacht war kurz. Doch das sah man Raphael Holzdeppe nach seinem Gold-Coup nicht an. Der erste deutsche Stabhochsprung-Weltmeister der Geschichte strahlte nach nur wenigen Stunden Schlaf über das ganze Gesicht und war putzmunter. "Eigentlich wollte ich noch losziehen, aber dann sind wir in der Hotelbar versackt", sagte der 23-Jährige, der bei der Leichtathletik-WM in Moskau mit 5,89 m seine noch junge Karriere krönte: "Um fünf habe ich das letzte Mal auf die Uhr geschaut, da saßen wir noch am Tresen."
Holzdeppe hatte sich die Bierchen mehr als verdient. Der Hobby-Basketballer und Billard-Liebhaber legte in Russland einen überragenden Wettkampf hin und verwies den Top-Favoriten und Olympiasieger Ranaud Lavillenie auf Platz zwei. Der Franzose meisterte die 5,89 m erst im dritten Versuch. Björn Otto (Köln) holte sich mit 5,82 Bronze. Der 35-Jährige löste damit Stab-Legende Sergej Bubka als ältesten WM-Medaillengewinner ab. Der Ukrainer war 33 Jahre alt, als er 1997 seinen letzten von sechs WM-Triumphen feierte. "Echt? Geil", sagte der Olympia- und EM-Zweite.
Holzdeppe und Otto Freude sich diebisch darüber, dass zumindest einer von ihnen endlich den oft übermächtig scheinenden Widersacher bei einer großen Meisterschaft bezwungen hatte. 2012 bei der EM in Helsinki und Olympia in London hatte ihnen "Air France" Gold noch weggeschnappt.
"Es war mal an der Zeit, dass er auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird", sagte Otto. Und Holzdeppe, Olympia-Dritter von London, meinte: "Er ist schon arrogant und musste sich überwinden, mir zu gratulieren. Man merkt, dass er glaubt, dass er doch viel besser ist als alle anderen."
Doch diesmal war Holzdeppe, passend zu seiner Disziplin Stabsgefreiter bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Mainz, der Stab-Regent. Der Fan des FC Bayern galt schon immer als Super-Talent, katapultierte sich 2008 als 18-Jähriger bereits in die Weltspitze, sprang mit 5,80 m U-20-Weltrekord und wurde Olympia-Achter in Peking. Doch erst jetzt löste er das Versprechen von damals ein. "Einfach Wahnsinn", sagte er.
Doch das soll erst der Anfang sein. Holzdeppe, der kurz nach seiner Geburt in Kaiserslautern von einem deutschen Ehepaar adoptiert wurde, plant seine nächsten Höhenflüge. Doch dafür muss er erst einmal ein Problem in den Griff kriegen. "Ich bin zwar schnell, aber mein Po hängt beim Anlauf zu tief. Wenn der Po höher ist, kann ich härtere Stäbe springen, die mich noch höher katapultieren", sagte er, "die sechs Meter sind mein Ziel, ganz klar."
Nach seinem kometenhaften Aufstieg 2008 musste Holzdeppe zunächst einige Rückschläge verkraften. Verletzungen warfen ihn zurück, der Erwartungsdruck belastete ihn. "Ich war zu verkrampft", sagte er. Und: "Ich habe gemerkt, dass es nicht so schlau ist, dreimal in der Woche feiern zu gehen."
Seit November trainiert der Athlet des LAZ Zweibrücken in München in der Gruppe von Chauncey Johnson, dem Ex-Trainer von Tim Lobinger. Wenn er nicht auf dem Platz steht, hängt er gerne mit "Freunden im Englischen Garten ab". Doch dafür bleibt kaum Zeit. Holzdeppe will sich nicht mehr nur auf sein Talent verlassen, ist fleißiger geworden. Summiert man alle seine Sprünge, hat er bereits den Mount Everest, mit 8848 m der höchste Berg der Welt, überquert.
Doch bei allem Ehrgeiz sei er ein "relaxter und gechillter Typ", sagte Holzdeppe, der sich auch "mal eine Pizza bestellt, wenn ich Lust dazu habe." Auch in dem Wissen, dass Fast Food nicht gut ist. Der Single macht sich keinen Kopf – auch nicht wegen seiner Hautfarbe. "Natürlich gab es immer mal wieder Komplikationen, aber für mich hat das nie eine Rolle gespielt", sagte er und wird für einen Moment ganz ernst: "Wenn man von anderen hört, bin ich da sehr gut durchgekommen." Dann strahlte er geich wieder über das ganze Gesicht.
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