Ude: Peinlicher Patzer in Vancouver

VANCOUVER - Bei der Bewerbung um die Olympischen Spiele 2018 "vergisst" OB Ude den Bombenanschlag auf dem Oktoberfest von 1980: "Niemals habe es einen ernsthaften Vorfall auf der Wiesn gegeben", sagte er.
Den einen Satz würde Christian Ude wohl gerne wieder zurücknehmen. Der Oberbürgermeister von München sprach gerade über seine Stadt und über die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2018, und er erwähnte selbstverständlich auch das Oktoberfest, das vor 200 Jahren erstmals stattgefunden hat. Niemals, versicherte Ude seinen Zuhörern, „niemals“ habe es einen „ernsthaften“ Vorfall auf der Wiesn gegeben. Im Auditorium blickten sich einige Menschen daraufhin irritiert an, Gemurmel setzt ein.
Ude sprach in Englisch, er las vom Blatt ab, aber trotzdem war seine Aussage ein unverzeihlicher Fehler. Genau genommen explodierte am 26. September 1980 eine Bombe direkt am Eingang Theresienwiese – 13 Menschen kamen ums Leben, 211 wurden verletzt, 68 davon schwer. Und das in einer Stadt, in der acht Jahre zuvor beim so genannten Olympia-Attentat elf israelische Sportler getötet wurden, als die palästinensische Terrorgruppe „Schwarzer September“ die schöne Illusion der „heiteren Spiele“ zerstörte – in München.
Am Dienstagmorgen entschuldigte sich Ude für seine Aussage. „Ich bedaure dieses Missverständnis außerordentlich“, erklärte der Münchner OB: „Selbstverständlich sollte mit keinem Wort die Erinnerung an das schreckliche Wiesn-Attentat von 1980 in Frage gestellt werden.“ Im Gegenteil: Die Stadt plane zum 30. Jahrestag eine große Gedenkveranstaltung. Die falsche Aussage sei durch eine kurzfristige Änderung des Manuskripts entstanden. „Gemeint war, dass es im Münchner Olympiapark in den fast 40 Jahren seiner nacholympischen Nutzung keinen ernsthaften Vorfall gegeben habe“, so Ude.
In acht Jahren soll es die „Friendly Games“ in München und seinen Außenstellen Garmisch-Partenkirchen und Königssee geben – „Die freundlichen Spiele“. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere versichert auf der Pressekonferenz in Vancouver, wo sich alle drei Bewerber um die Spiele 2018 kurz der Weltöffentlichkeit vorstellen durften, Deutschland habe aus seiner Vergangenheit gelernt. Als das Thema noch einmal auf 1972 kommt, sagt er mit fester Stimme: „Wir haben unsere Lektion gelernt. Geschichte wiederholt sich nicht.“
Auch die Konkurrenten Annecy in Frankreich und Pyeongchang in Südkorea haben sich in Vancouver kurz vorgestellt. Die Bewerbung von Annecy, vorangetrieben von Edgar Grospiron, Olympiasieger 1992 auf der Buckelpiste, wirkt auf den ersten Blick wenig ernsthaft. Eine große Party für die ganze Welt will Grospiron veranstalten, doch er muss betonen: „Unsere Bewerbung ist glaubwürdig.“ Pyoengchong, zum dritten Mal in Folge im Rennen, wird von drei Herren vertreten, die so griesgrämig dreinblicken, als hätten sie schon wieder verloren.
Die Männer aus München kommen durchaus sympathisch rüber – was auch an der einzigen Frau auf dem Podium liegt. Katarina Witt, 1984 und 1988 Eiskunstlauf-Olympiasiegerin, ein Weltstar, beliebt, zudem Vorsitzende des Kuratoriums von „München 2018“, verkauft sich gut. „Wintersport ist in unserer DNA“, sagt sie mit ihrem schönsten Lächeln, als sie über die Begeisterung der Deutschen spricht. Dazu sagt de Maiziere stolz: „Ganz Deutschland ist hinter dieser Bewerbung vereint.“ Außer den Grünen und ein paar renitenten Bauern.
Auch Bewerbungschef Willy Bogner sammelt Sympathiepunkte. Er spricht vielleicht etwas zu sanft, aber durchaus überzeugend von der „klaren Vision“ der Münchner Bewerbung, von der „Freundlichkeit zu den Athleten, zur olympischen Familie und zur Zukunft“. Bogner, als Ski-Rennläufer 1960 und 1964 Olympia-Teilnehmer, hat auch die Lacher auf seiner Seite, als er seine Rolle als Kameramann bei drei Filmen der „James-Bond“-Reihe erwähnt. Er habe sogar James Bond wie einen Olympia-Teilnehmer aussehen lassen, sagt er scherzhaft.
Annecy lässt kein klares Konzept erkennen, keine große Vision. Pyeongchang erfüllt das Klischee, dass Asiaten gerne mal bei anderen abkupfern. Provinz-Gouverneur Kim Jin Sun sagt, die Athleten sollten bei den Spielen in Südkorea im Vordergrund stehen, und es sollte ein Erbe hinterlassen werden, eine „legacy“, wie es in der Sprache der Olympier heißt. Es sind Sätze, die Willy Bogner bereits seit Wochen sagt, aber Kim Jin Sun sagt sie leidenschaftslos, und er sagt sie auch nur auf Nachfrage.
Da ist Thomas Bach schon von einem anderen Kaliber. Auf die kritische Nachfrage, ob Garmisch nicht ein bisschen weit von München weg sei, kontert der DOSB-Präsident mit Humor: „Selbst, wenn sie die Geschwindigkeitsbegrenzung in ihrem Land einhalten, schaffen sie die 80 Kilometer locker in einer Stunde.“
SID