Typisch Bayern

MÜNCHEN - Mäßig gespielt, ins Halbfinale geduselt, ein paar arrogante Sprüche – und am Ende in Partylaune: So siegen die Roten, so ist sie, die schöne, normale Bayern-Welt.
Womöglich wollte er sich beruhigen. Ganz kurz nur: Puls runter. Durchatmen. Also setzte sich Oliver Kahn vor der Ausführung des Elfmeters in der Nachspielzeit der Verlängerung auf den Rasen und lehnte sich an einen der Torpfosten.
Gegenüber trat Franck Ribéry vom Punkt an. Zwei Mal, der zweite zählte. Das 1:0, der Derby-Sieg vor Augen. Und dann lief Kahn los. So, wie nur Kahn losläuft nach einem wichtigen Tor für seine Bayern. Wie 2001 in Hamburg, als er nach dem 1:1-Ausgleich, dem Meisterschuss von Andersson, in letzter Minute zur Eckfahne sprintete und sie glückstaumelnd aus der Verankerung riss. Diesmal führte Kahns Laufweg Richtung Mittellinie. In höchstem Tempo.
Mit weit aufgerissenem Mund. Mit geballten Fäusten. Dort ging er auf die Knie, blickte zum Himmel und brüllte 120 Minuten Versagensängste raus. Über den Armin-Hary-Gedächtnis-Sprint witzelte Löwen-Trainer Marco Kurz: „Ich hatte in dem Moment Angst, dass er sich einen Muskelfaserriss zuzieht.“ Aber es war eben ein echter Kahn. Typisch Kahn. Wie der ganze Abend. Typisch FC Bayern eben.
Das Auftreten:
Diese Spielweise! Dieses typische Abwarten, selbst in einem Heimspiel. Obwohl die Bayern sich mehr Chancen erarbeiteten, gelang es ihnen nicht, einen Zweitligisten auszuspielen. Erstmal den Gegner anrennen lassen und abwarten – dieser Wird-schon-werden-Fußball erzürnte nicht nur die eigenen Fans. „Wir hatten zu viele Ballverluste und zu wenig Bewegung“, bemängelte Trainer Ottmar Hitzfeld. Und Kahn moserte: „Das Spiel hat exakt das Manko gezeigt, was wir in dieser Saison haben: Wir bestimmen fast immer die Spiele, aber letztendlich kommt nichts dabei heraus.“
Immerhin noch ein Sieg. Typisch FC Bayern eben.
Die Arroganz:
Die Spielersitzung vor der Partie muss wohl etwas länger gedauert haben, schließlich gab Hitzfeld nach dem 1:0 zu: „Ich glaube nicht, dass jeder meiner Spieler wusste, wie sein Gegenspieler mit Namen heißt.“ Ist den Profis auch egal. Warum sollte es Franck Ribéry auch kümmern, ob er seinen arroganten Hundling-Elfer gegen Michael Hofmann oder Philipp Tschauner verwandelt?
Doch laut Kahn, hätte Ribéry auch gar nicht treffen müssen. Bei 0:0 nach Verlängerung „hätten wir eben im Elfmeterschießen gewonnen“, sagte Kahn Minuten nach Abpfiff ins ZDF-Mikro, „da hätte ich dann einen gehalten, einen mehr gehalten.“ Dazu Kurz: „Das ist eben das Bayern-Gen. Ob der Kahn wirklich so souverän ist, weiß ich nicht.“ Wichtig ist einzig, dass die Bayern es sich einreden. Nein, mehr: Sie glauben tatsächlich daran. Und daran, „dass wir immer die Nummer eins in der Stadt waren und bleiben werden.“ Sagte Hitzfeld. Dachten alle – na ja, alle Roten. Typisch Bayern.
Der Dusel:
Uli Hoeneß hatte wenig auszusetzen an diesem Pokalabend, nur dies: „Wenn man so viele Chancen hat und das Tor nicht macht, muss man sich nicht wundern, wenn man 120 Minuten spielen muss“. Doch normalerweise läuft es ganz anders. Wer die Chancen auslässt, wird bestraft. Nicht die Bayern. Erst verletzte sich der beste Löwen-Spieler Daniel Bierofka ohne Fremdeinwirkung, dann beging Pagenburg ein dummes Foul – und Schiedsrichter Gagelmann entschied auf Elfmeter, was höchst umstritten war. Das Glück im entscheidenden Moment, der berühmte Bayern-Dusel.
Mäßig gespielt, ein paar arrogante Sprüche, und ins Halbfinale geduselt. So ist sie, die schöne, normale Bayern-Welt.
P. Strasser, T. Klein