Türkgücüs Star-Neuzugang Mavraj: "Ich bin für die Spieler ein großer Bruder"

München - AZ-Interview mit Mergim Mavraj: Der Deutsch-Albaner (35) ist in der vergangenen Saison mit der SpVgg Greuther Fürth zum zweiten Mal in die Bundesliga aufgestiegen, dann aber zu Türkgücü München gewechselt. Zuvor spielte der Innenverteidiger unter anderem schon für den HSV und 1. FC Köln.
AZ: Herr Mavraj, Sie sind in der vergangenen Saison mit der SpVgg Greuther Fürth in die Bundesliga aufgestiegen - um nun zwei Etagen tiefer bei Türkgücü München anzuheuern. Diesen Schritt müssen Sie uns erklären.
MERGIM MAVRAJ: Der Aufstieg war geplant. Das meine ich ernst. Ich bin damals mit genau dieser Aufgabe geholt worden, die Mannschaft stimmungsmäßig so zu verändern, dass Fürth innerhalb von zwei Jahren aufsteigen kann. Und so kam's dann ja auch.
Abgeschlossene Mission in Fürth
Warum war dann dort am Ende kein Platz mehr für Sie?
Mit dem Aufstieg war für mich die Mission beendet - wobei mein Wechsel auch anderen Gründen geschuldet war. Natürlich habe ich mich mit Fürth zusammengesetzt und über eine Verlängerung gesprochen, auch über mögliche Aufgaben im Verein nach dem Ende meiner Karriere. Aber wir sind einfach nicht zusammengekommen.
Sie haben selbst gesagt, dass Sie es auch einfacher hätten haben können, es gab einige Zweitligisten, die interessiert waren. Haben Sie gegen Ende Ihrer Karriere nochmal ein sportliches Abenteuer gesucht?
Ich hätte auch für ein Jahr in die Zweite Liga oder auch ins Ausland gehen können, aber die Vertragslaufzeit bei Türkgücü (zwei Jahre, d. Red.) zeugt von einem großen Vertrauen in meine Person. Außerdem hat der Verein Ambitionen und in den letzten Jahren einen krassen Werdegang hinter sich. Das passt zu mir, denn ich bin auch keiner, der sich damit zufrieden gibt, wenn er mal alle paar Wochen ein Spiel gewinnt.
Auch Trainer Petr Ruman ist für den Wechsel verantwortlich
Welchen Faktor hat Trainer Petr Ruman, den Sie ja aus Fürth gut kennen, bei Ihrer Verpflichtung gespielt?
Am am Ende ist der Trainer ja immer der ausschlaggebende Grund zu wechseln. Wenn man merkt: 'Okay, das ist jemand, der ist überzeugt von deinen Fähigkeiten.' Die Gespräche mit Petr waren sehr gut, er hat mir genau erklärt, in welcher Rolle er mich sieht.
Wie würden Sie selbst Ihre Rolle bei Türkgücü beschreiben?
Ich sehe mich als der große Bruder der Spieler, als einer von ihnen, der aber auch mit Rat und Tat zur Seite steht, als einer, der löscht, wenn's brennt. Diese Rolle hatte ich bislang häufig während meiner Karriere inne - wahrscheinlich, weil ich es einfach mag, Menschen zu helfen. Der Innenverteidiger ist ja per se ja schon ein Beschützer. Aber mir war bei diesem Wechsel auch noch etwas anderes wichtig.
Was war das?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen romantisch: Aber als Albaner habe ich auch einen Migrationshintergrund, zudem habe ich sehr viele Türken als Freunde, mit denen ich mein ganzes Leben verbracht habe. Ich sehe da viele Parallelen. Egal, ob nun die Spieler, oder die Vereinsmitarbeiter von Türkgücü oder auch Präsident Hasan Kivran - wir alle haben ungefähr dieselbe Geschichte. Wir mussten uns in unserem Leben immer alles doppelt und dreifach erarbeiten. Und wenn ich nun mit meiner Erfahrung und Qualität bei so einem Verein mithelfen kann, macht mich das stolz. Das ist meine persönliche Motivation, die mich antreibt.
Manche Menschen haben mit genau diesem Migrationshintergrund von Türkgücü immer noch ein Problem. Letzte Saison wurde der Verein häufig Opfer rassistischer und fremdenfeindlicher Attacken.
Das ist mir bewusst. Aber wenn jemand uns nicht mag, ist das nicht unser Problem. Wenn Menschen Wut und Hass in sich tragen, kostet das ihre Lebensqualität - meine keineswegs.
Mehr Bundesliga-Spiele als Mölders
Ihr wahrscheinlich größter Trumpf in dieser für Sie neuen Dritten Liga ist die Erfahrung. Mit 158 Bundesliga-Spielen haben Sie sogar 53 mehr auf dem Konto als Löwen-Ikone Sascha Mölders.
Solche Vergleiche interessieren mich ehrlich gesagt nicht sonderlich. Respekt vor jedem, der es in den Profi-Fußball geschafft hat und hier seine Brötchen verdient. Aber für mich war schon immer der alleinige Richtwert nur Mergim Mavraj.
Sie gelten als charakter-, aber auch meinungsstarker Führungsspieler. Muss man in dieser Rolle manchmal auch anecken und unbequeme Wahrheiten aussprechen?
Man muss erstmal gar nichts. Aber klar brauchst du in dieser Position einen gewissen Mut. Menschen, die bereit sind, die die Wahrheit auszusprechen, sind der Gesellschaft manchmal ein Dorn im Auge, aber andererseits richten sich Menschen wiederum auch sehr gerne nach ihnen, weil sie sehen, dass jemand für seine Überzeugungen einsteht.
Rene Vollath - Mergim Mavraj - Tim Rieder - Sercan Sararer: Könnte so die Türkgücü-Achse in der kommenden Saison aussehen?
Ich habe jetzt gerade mal 45 Minuten in einem Testspiel für Türkgücü absolviert, kann das also noch nicht beurteilen. Aber Sercan Sararer, ein Mann mit seinen Qualitäten, das allein ist die ultimative Achse in dieser Liga - da kann man dann auch hintendran stellen, wen man will. (lacht)
Wo muss Türkgücü am Ende der Saison landen, damit Sie sagen: Das Abenteuer hat sich für mich gelohnt?
Für mich hat es sich jetzt schon gelohnt. Eine neue Stadt, eine so coole Multikulti-Truppe und auch wieder wichtig zu sein für eine Mannschaft - all das ist für mich schon ein Mega-Erfolg.