Türkgücü München kritisiert: FC Bayern weigert sich

Der SV Türkgücü-Ataspor München rechnet bereits mit dem Aufstieg in die Regionalliga Bayern. Im AZ-Interview spricht Klubchef Hasan Kivran über Ansprüche wegen des Grünwalder Stadions sowie "Deutsch-Deutsche in seinem Team. Und er kritisiert den FC Bayern.
von  Interview: Mayls Majurani
Vorsitzender des SV Türkgücü-Ataspor München: Hasan Kivran.
Vorsitzender des SV Türkgücü-Ataspor München: Hasan Kivran. © privat

München - Der SV Türkgücü-Ataspor spielte unlängst noch in der Landesliga, mittlerweile ist der Klub auf bestem Weg in die Regionalliga Bayern. Da es innerhalb Münchens an geeigneten Fußballanlagen mangelt, muss Türkgücü seine Heimspiele in Heimstetten austragen. Doch das ist nicht das einzige Problem.

Türkgücü-Boss Hasan Kivran erzählt im AZ-Interview, was er mit dem Verein vorhat, wieso er was am FC Bayern auszusetzen - und wie hoch es nach dem Aufstieg in die Regionalliga bestenfalls gehen soll.

Türkgücü München arbeitet an Regionalliga-Aufstieg

AZ: Herr Kivran, als Sie 2016 Präsident von Türkgücü-Ataspor München wurden, sprachen Sie vom Aufstieg in die Regionalliga Bayern zur Saison 2019/20. Jetzt sind Sie klarer Tabellenführer der Bayernliga Süd - und Ihrem Zeitplan voraus.
HASAN KIVRAN: Damals haben nicht viele daran geglaubt. In meinem ersten Jahr haben wir uns neu aufgestelt und wurden Sechster in der Landesliga. Wir haben einige Versäumnisse der Vergangenheit wett gemacht und an der Lobby des Vereins gearbeitet. Wir wollten einen Neuanfang, haben in der ersten Saison bewusst 25 Spieler geholt und intensiv an einer zukunftsfähigen Struktur gefeilt.

Eine recht aggressive Transferpolitik, 25 Spieler auf einen Schlag zu verpflichten.
Jeder Transfer ist kritisierbar. Und jeder Transfer kann gerechtfertigt sein. Die einen sagen, sie bilden ihre eigenen Spieler aus, die anderen holen extern Spieler und wieder andere machen beides. Es ist ein freier Wettbewerb. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, in meiner Amtszeit in die Regionalliga aufzusteigen, wäre es nicht zielführend gewesen, auf die Jugendabteilung zu setzen.

Hasan Kivran: "Ich bin ein Entwickler"

Ist die Regionalliga das endgültige Ziel?
Meine Amtszeit läuft bis Ende 2019. Für mich ist die Regionalliga das vorerst endgültige Ziel. Wir werden in der nächsten Jahresversammlung die Vorstellung unserer Mitglieder abholen. Wenn die Mehrheit sagt, 'Regionalliga, da fühlen wir uns wohl', habe ich davor Respekt. Aber, das wäre dann nicht meins. Ich bin kein Verwalter, eher ein Entwickler.

Dann müsste folglich der Schritt in die 3. Liga gemacht werden.
Die 3. Liga ist eine undankbare Liga mit den meisten Insolvenzen im Profifußball. Die Mittel decken dort nicht die Ausgaben. Wenn wir also den Schritt in den Profifußball machen sollten, dann kann die 3. Liga auf keinen Fall das Ziel sein.

Vorsitzender des SV Türkgücü-Ataspor München: Hasan Kivran.
Vorsitzender des SV Türkgücü-Ataspor München: Hasan Kivran. © privat

Apropos Finanzen: Georg Appel, Abteilungsleiter des SC Eintracht Freising, sagte, Türkgücü habe ein Budget von 600.000 Euro. Stimmt das?
Ich meine, bereits für die letzte Saison von einem Budget in Höhe von einer Million Euro gelesen zu haben. Unsere Jahresabschlüsse sind keine Geheimwissenschaft. Die kann jeder einsehen, auch die Freisinger Kollegen.

Sie haben dennoch ein vergleichsweise hohes Budget.
Wir arbeiten nicht mit festen Budgets. Immer, wenn etwas gemacht werden muss, schauen wir, ob wir die Mittel dafür haben.

Haben Sie einen Großsponsor?
Ja. AON ist unser Hauptsponsor...

...AON war auch der Trikotsponsor von Manchester United.
Richtig. Die sind immer noch bei Manchester United, nur nicht mehr auf dem Trikot. Sie sind auch Sponsor von Parma Calcio (italienische Serie A, d. Red.).

Partner: Sponsor von Manchester United

Wie konnten Sie solch einen potenten Sponsor gewinnen?
Das ist einfach nur eine clevere Strategie von AON. Wenn man bei einem Bundesligisten einsteigen will, kostet das sehr viel Geld. Wenn man aber vielversprechende, kleinere Vereine in der Entwicklung begleitet, zahlt man schlussendlich weniger und über die lange Dauer der Zusammenarbeit entsteht ein tieferes Vertrauensverhältnis, wie bei Parma bereits erfolgreich praktiziert. Wir konnten auch das Unternehmen Gazi, eine Zeit lang Trikotsponsor des VfB Stuttgart, und FTI gewinnen. FTI kennt man noch von den Bundesliga-Trikots des TSV 1860 aus früheren Zeiten. Michael Hofmann (1996-2010 bei den Löwen, d. Red.) spielte in diesen Trikots. Heute ist er unser Torwarttrainer, er hat sich am meisten über das Sponsoring gefreut (lacht).

Für Ihren Spielbetrieb im Sportpark Heimstetten müssen Sie indes zahlen.
Ja, wir zahlen dafür. Die Alternative wäre eine Nachbesserung der Bezirkssportanlage in der Heinrich-Wieland-Straße. Wir haben die Stadt schon vor zwei Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass die Anlage nicht geeignet ist für die Bayernliga. Passiert ist nichts.

Die CSU hat einen Antrag gestellt, dass die Stadt Vereinen ermöglichen soll, Spiele auch in München austragen zu können.
Das sind gute Nachrichten. Kurzfristig brauchen wir aber erst mal Flutlicht in der Heinrich-Wieland-Straße, damit wir auch im Herbst auf dem Rasenplatz trainieren können.

In Heimstetten kommen derweil im Schnitt 400 Zuschauer. Rentiert sich das?
Amateurfußball rentiert sich finanziell nie. Und nein, wir holen allein durch den Zuschauerumsatz die Miete nicht wieder rein.

Eine weitere Mannschaft im Grünwalder Stadion?

In den 80ern und 90ern hat Türkgücü teils vor 10.000 Zuschauern gespielt.
Wir hatten in der Landesliga im Schnitt 300 Zuschauer. Der Zuschaueranstieg in der Bayernliga blieb überschaubar, weil wir die Stadt verlassen mussten. Dazukommt, dass wir mittlerweile sehr viele Vereine in München haben, die von türkischen Einwanderern gegründet wurden. Das war in den 80ern nicht so. Diese Vereine stehen aber für ihre Stadtviertel. Wenn wir es schaffen, einen Verein zu installieren, der für die ganze Stadt steht, können wir diese Menschen sicherlich mobilisieren.

Ins Grünwalder Stadion würden so viele Fans passen.
Das müssen wir erst bekommen. Da spielen aktuell drei Vereine drin: der TSV 1860, der FC Bayern II und die Bayern-Frauen. Wir sind aber in Gesprächen mit der Stadt.

Gibt es eine Alternative?
Für uns nicht. Der FC Bayern hat noch ein Stadion im Campus, aber laut Sportamt möchte er das Grünwalder nicht verlassen, um das eigene Stadion zu schonen - oder warum auch immer. Wir haben vorgeschlagen, dass wir bereit sind, im Campus zu spielen, falls der FCB mit seinen Mannschaften unbedingt im Grünwalder Stadion bleiben will. Das wurde laut Sportamt abgelehnt. Fakt ist: Der FC Bayern hat einen Jahresumsatz von circa 660 Millionen Euro und mehrere Ausweichstätten, wir nicht. Doch der FC Bayern weigert sich, die Ausweichstätten zu nutzen. Deshalb müssen wir unsere Heimspiele außerhalb der Stadt bestreiten. Das entspricht nicht unseren Vorstellungen von Ethik. Für die Bayern ist es ein Luxusproblem, für uns ein essenzielles.

Wo wir bei politischen Fragen wären.
Wir sind kein politischer Verein.

Es heißt oft: "Die Türken kommen"

Sie heißen aber Türkgücü-Ataspor München. Direkt gefragt: Sind Sie Rassismus ausgesetzt?
Ich lese ganz gerne die Stadionzeitungen unserer Gegner. Da heißt es sehr oft: "Die Türken kommen". Aber: Wir haben in unserer ersten Mannschaft vier Türken und die sind deutsche Staatsbürger. Die meisten Spieler sind "Deutsch-Deutsche". Und dann schaue ich mir den Gegner an: Da sind in der Aufstellung teilweise mehr türkische Namen drin als bei uns. Aber Rassismus habe ich eigentlich nie gespürt. Natürlich gibt es Leute, die Sprüche reißen, aber es bleibt bei Sprüchen.Unsere Sponsoren sind keine türkischen Unternehmen. Unsere Spieler sind nicht ausschließlich Türken. Die Hälfte unserer Mitglieder sind "Deutsch-Deutsche". So stelle ich mir gesunde Integration vor.

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