Massive Geldsorgen: Zerfällt Türkgücü jetzt?

München - "Traditionen bewahren, Kulturen verbinden" - so lautet Türkgücüs Vereinsmotto. Womöglich wäre ein "Jährlich grüßt das Murmeltier" mindestens ebenso passend. Denn vor etwas über einem Jahr, als sich Investor Hasan Kivran zwischenzeitlich zurückziehen wollte, war der erste Migrantenverein im deutschen Profifußball massiv in seiner Existenz bedroht - und das ist er nun wieder.
Vergangenen Donnerstag hätte Türkgücü beim Deutschen Fußballbund (DFB) im Zuge der Nachlizensierung den Nachweis erbringen müssen, das sich der Verein die Dritte Liga auch leisten kann. Das ist nicht geschehen. Dass "nicht alle erforderlichen Nachweise zur Nachlizenzierung" abgegeben wurden, hat der Klub mittlerweile sogar eingeräumt.
Ist das Projekt Türkgücü nun in Gänze bedroht?
Wie hoch der Fehlbetrag konkret ist (angeblich rund zwei Millionen Euro), welche Konsequenzen nun vom Verband drohen (wohl mindestens ein Punktabzug), ob Präsident Hasan Kivran überhaupt noch Lust auf sein Spielzeug hat und ob das Projekt Türkgücü damit in Gänze bedroht ist - all diese Fragen werden von der Chefetage des Migrantenklubs mit vielsagendem Schweigen beantwortet.
Lieber schickt man aktuell den neuen Trainer Andreas Heraf vor, der über sportliche Dinge wie das anstehende Spiel am Samstag (14 Uhr/MagentaSport) gegen Schlusslicht TSV Havelse sprechen muss, wobei diese Partie womöglich bald schon keine Relevanz mehr haben könnte. Dann, wenn das berühmte Worst-Case-Szenario eintritt: eine Insolvenz.
Laut "SZ" ist das Geld bereits so knapp, dass der Verein, um zu sparen, mit einem kleineren Kader zum Spiel nach Freiburg (2:4) reisen wollte. Damit aber niemand zu Hause bleiben musste, sollen die Spieler aus der Mannschaftskasse ein zusätzliches Hotelzimmer bezahlt haben.
Heraf: Türkgücüs Finanzprobleme beschäftigen auch die Spieler
Wie sehr Türkgücü am Abgrund steht, weiß wohl auch Heraf nicht genau. Der Österreicher hatte das Amt - das sich am Ende für ihn als eine mission impossible herausstellen könnte - erst kurz nach Weihnachten übernommen. Ein Trainingslager und ein verlorenes Debüt später muss sich der 54-Jährige neben dem Kampf um den Klassenerhalt auch damit beschäftigen, wie sich die Situation auf die Köpfe seiner Spieler auswirkt: "Wenn du jeden Tag in den Zeitungen liest, was kommen könnte, gibt es schon ein bisschen Unruhe", erklärt Heraf und schiebt hinterher: "Natürlich sind solche Dinge nicht förderlich."
Türkgücü in Geldnot: Spieler bereiten Abgang vor
Das gilt in dieser Situation auch für Gerüchte, dass der ein oder andere Spieler bereits mit dem Schlimmsten rechnet und seine Berater den Markt - auch in der direkten Nachbarschaft - sondieren lässt. Heraf dazu: "Auch das ist logisch, weil wenn man liest, dass wir in so einer Situation stecken, dann wollen die Berater der Jungs natürlich das Beste für ihre Spieler herausholen und dann sind natürlich auch Gespräche mit anderen Vereinen möglich." Zerfällt Türkgücü?
Mit Petar Sliskovic, Marco Kehl-Gomez und Sebastian Hertner hat Türkgücü in diesem Winter bereits drei Spieler abgegeben und keine neuen dazugeholt. Für Heraf, der sich eine Abwehrverstärkung gewünscht hätte, eine Hypothek im Kampf um den Klassenerhalt: "Das ist kein Rückschlag, aber vielleicht ein Nachteil. Wenn wir Spieler mit Qualität dazugeholt hätten, hätte sich auch die Qualität der Mannschaft im Ganzen verbessert. Ich bekomme keinen Spieler, das ist jetzt definitiv so, aber natürlich würde ich die Spieler, die noch hier sind, gerne halten." Die Frage ist: Wie lange noch?