„Zum Greifen und Träumen“
AZ: Dieter Schneider, vor wenigen Monaten stand der TSV 1860 kurz vor dem Aus, jetzt wirbt einer der berühmtesten Sportwagenhersteller der Welt auf der Löwen-Brust. Das muss auch Ihnen verrückt vorkommen.
DIETER SCHNEIDER: Das stimmt, manchmal geht es schneller als man denkt. Wenn man allein diese beiden Zeitpunkte vergleicht, könnte der Unterschied nicht gewaltiger sein, das stimmt.
Jetzt fragen sich halt viele: 1860 und Aston Martin, passt das überhaupt?
Ich teile die Befürchtungen nicht. Es kann sehr gut passen, weil Aston Martin eine kleine und feine Firma ist und eben keine Angeberfirma. Das Image von Aston Martin kann man sehr gut transportieren. Man legt dort auch sehr großen Wert auf Identifikation und man identifiziert sich über den Einsatz der leitenden Personen. Allein wie die Firma aufgebaut ist, was man dort auf die Füße gestellt hat. Das passt alles zu uns. Und die Wagen selbst, die kann man nur bewundern. Das ist doch alles viel, viel positiver als es zum Beispiel mit Jordanian Airlines gewesen wäre. Nichts gegen die Fluglinie, aber nach meiner Mentalität brauchen wir etwas zum Greifen, etwas, hinter dem Menschen stecken, und das mit Herzblut und Händen angefertigt wird. Das entspricht genau meiner und unserer Mentalität.
Leisten kann sich ein Löwen-Fan so einen Wagen trotzdem nur im Traum.
Das kann sein, aber träumen darf man davon doch trotzdem. Und für das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der Löwen-Fans ist das doch eine tolle Geschichte, die können sich jetzt zurecht sagen: „Wir sind so interessant, dass eine Firma wie Aston Martin mit uns zusammenarbeiten will.“ Wer kann das schon von sich behaupten?
Fürchten Sie nicht, dass die Löwen-Fans nun denken, bei Sechzig drehen sie jetzt durch?
Nein, sie denken nicht, dass wir durchdrehen. Wenn unser Verhalten dazu Anlass gäbe, wäre es was anderes. Aber wir werden alles dafür tun, dass es so weit nicht kommt. Man muss bei Aston Martin einfach mehr als nur den berühmten Namen sehen. Da steckt sehr viel Herzblut hinter der Firma. Wie die in den letzten zehn Jahren aufgebaut wurde, das ist beeindruckend. Wie ihr Chef, Ulrich Bez, das Image des Kaputtautos, mit dem man ja zu kämpfen hatte, zu einem wirklich modernen und hoch angesehen Sportwagen aufgebaut hat, das hat was von dem, was wir auch vorhaben. Zurück zur Frage: Wenn’s Ferrari wäre, dann würde ich das zugeben und sagen: „Wir spinnen“. Aber mit Aston Martin passt’s.
Aktuell fahren Sie ja einen Audi A8. Sieht man Sie auch bald im britischen Flitzer?
Nein, ich denke nicht. Ich mag eher richtig bequeme Autos. Komfort ist mir etwas wichtiger als das Sportliche. Ich bin da eher nüchtern, ich kriege keinen Kick und keine Gänsehaut von Autos. Aber so ein Wochenende im Aston Martin würde ich schon gerne mal erleben. Ich hätte früher mal einen geschenkt bekommen können, habe ihn aber abgelehnt. Das darf ich heute kaum noch sagen.
Wie bitte?
Das war Mitte der Achtzigerjahre. Ich habe eine Firma für Sicherheitsgurte geleitet. Die war Teil eines Konsortiums mit etwa zehn Unternehmen in England, Frankreich und Deutschland. Der damalige CEO sprach einen Wettbewerb aus, derjenige, der am Jahresende das beste Ergebnis erzielt, würde einen Aston Martin gewinnen. Ich gewann, lehnte den Wagen aber ab.
Wieso das denn?
Aston Martin hatte damals noch ein ganz anderes Image. Außerdem gab es in Deutschland überhaupt keinen Service, keine Werkstätten. Ich hätte gar nicht gewusst, was ich machen sollte, wäre mal ein Schaden am Wagen gewesen. Für einen Engländer war es aber fast schon eine Beleidigung, einen Aston Martin nicht anzunehmen.
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