Zehn Jahre Münchner Lokalderby: Zwei Beteiligte erinnern sich

München - "Ribéry lässt die Löwen weinen": So titelte die AZ am 28. Februar 2008 nach dem Bayern-Sieg im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den TSV 1860. Genau zehn Jahre ist es her, dass Franck Ribéry mit einem Elfer-Schlenzer in der 120. Minute den Bayern-Sieg klar machte. Den Pokal gewann Bayern unter Trainer Ottmar Hitzfeld dann übrigens auch – im Finale gegen Borussia Dortmund (2:1).
Die damalige AZ-Schlagzeile. Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken. Foto: AZ-Archiv
Doch in Erinnerung bleibt vor allem das Derby gegen den damaligen blauen Zweitligisten – es war das bisher letzte. Mit allem, was dazugehört: Platzverweise auf beiden Seiten (Toni flog beim FC Bayern, bei den Löwen Schwarz und Thorandt), Verlängerung und großem Kampf.
"Mehr an Unterhaltungswert kann ein Fußballspiel nicht bieten", meinte der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß. Und angesichts nun viertklassiger Löwen und quasi unabsteigbarer Erstliga-Bayern dürfte ein Pflichtspielduell in absehbarer Zeit auch nur ein Traum bleiben für die Münchern Fußballfans. "Schee! Derby, komm bald wieder", notierte der AZ-Reporter damals. Dem kann man sich nur anschließen.
In der AZ erinnern sich der Bayern-Stadionsprecher Stephan Lehmann und Ex-Löwenkeeper Michael Hoffmann an das Spiel.
Bayern-Stadionsprecher Lehmann über das Derby und die Rivalität mit dem TSV 1860

AZ: Herr Lehmann, wir rufen wegen eines kleinen Jubiläums an.
STEPHAN LEHMANN: Aha, wegen welchem denn?
Heute vor 10 Jahren, am 27. Februar 2008, spielte der FC Bayern das bislang letzte Derby gegen den TSV 1860.
Ok, das hatte ich ehrlich gesagt jetzt nicht unbedingt auf dem Schirm. Ich weiß im Moment sogar nicht mal, wie es ausgegangen ist. (lacht)
Es war das Pokalviertelfinale, 1860 damals schon Zweitligist, mit 0:0 ging es in die Verlängerung...
Und dann hat Franck Ribéry mit einem Elfmeter in der Nachspielzeit das 1:0-Siegtor geschossen. Ist das echt schon zehn Jahre her? Da war der Franck gerade mal ein paar Monate bei uns, noch ganz frisch.
Den Treffer per Stadionmikro anzusagen hat sicher besonders viel Spaß gemacht, oder?
Wenn sich in der 120. so eine Nummer abzeichnet, Freude ich natürlich. Das Derby war schon immer was Besonderes, auch die Spottgesänge von beiden Seiten gehörten dazu. Im Profifußball wird das ja heute vermisst, das Authentische, wo noch ein bisserl mehr Herz dabei ist. Ich erinnere mich mit Wehmut an diese Zeit: Die eine Hälfte im Stadion war rot, die andere blau. Das waren schon spezielle Spiele, die ich auch vermisse, weil es echte Highlights der Saison waren.
Mit einer ganz eigenen Dynamik. Im Pokalderby vor zehn Jahren gab drei Gelb-Rote Karten: erst für Luca Toni, dann Sechzigs Benjamin Schwarz und Markus Thorandt.
Da sind eben noch mehr Emotionen im Spiel als bei einer normalen Partie. Die Spieler lassen sich schon auch von der medialen Berichterstattung über das Duell der Blauen mit den Roten anstecken.
In den Derbys ging es auch immer darum, zu zeigen, wer die Nummer eins in der Stadt ist.
Klar. Der FC Bayern war ja immer der Favorit – wenn so etwas dann in die Hose gehen würde... Wie heißt es so schön: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen (lacht). Allzu oft gab es das ja aber zum Glück nicht. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als Karl-Heinz Rummenigge Beppo Hofeditz eine Watschn gegeben hat und dafür vom Platz geflogen ist. Oder Carsten Jancker in der allerletzten Sekunde noch das 3:3 geschossen hat.
Beneiden Sie den Kollegen Stefan Schneider, den Stadionsprecher der Löwen? Er hat in der Vierten Liga ja zumindest noch ein kleines Derby.
Wir haben ja die Duelle in der Champions League, wenn wir zum Beispiel auf den FC Barcelona treffen. Das sind große Fußballmomente und ein sehr, sehr guter Derbyersatz für mich. Ich würde mir aber wünschen, dass der TSV 1860 wieder in die Rolle zurückkehren könnte, die er in den Neunzigern hatte, als es diese Bundesligaduelle gab, dass wir da wieder schöne Fußballfeste erleben. Mit gesunder Rivalität und ohne Feindschaft.
Ex-Löwen-Torwart Hofmann über die Niederlage und den Frust der Löwen
AZ: Herr Hofmann, zehn Jahre liegt das letzte Profiderby gegen die Bayern zurück – sie standen im Löwen-Tor.
MICHAEL HOFMANN: Ich kann mich noch an alles ganz genau erinnern. Für mich war das eine gewisse, ja, Tragödie, durch meine verletzungsbedingte Auswechslung. Dann musste auch noch Daniel Bierofka verletzt raus.
Sie mussten in der 35. Minute verletzt runter. Wie war das für Sie, als Franck Ribéry am Ende den Elfer reinmachte?
Ich habe den Siegtreffer der Roten live von der Bank erlebt. Als wir uns schon alle auf ein Elfmeterschießen eingestellt hatten. Wer weiß, was in einem Elfmeterschießen gegangen wäre.
Emotionale Momente, oder?
Millionen Mal habe ich daran gedacht. Als der Schiedsrichter auf Elfmeter entschied, fiel ich in ein Loch. Dann hoffst du: Zeigt der Schütze Nerven? Hält Philipp Tschauner den Elfmeter? Es lief brutal für uns, wir hatten nicht mehr die Möglichkeit, zu reagieren. Nach dem Spiel war Totenstille in der Kabine. In den Wochen darauf fiel die ganze Mannschaft in ein Loch.
Weil die Art der Niederlage sich wie ein mentaler Volltreffer anfühlte?
Das Weiterkommen wäre für Sechzig brutal gut gewesen. Sowas fängst du am nächsten Tag nicht einfach auf, wir hatten die Derby-Niederlage wochenlang im Kopf. Wenn solch ein Spiel erst in der Verlängerung entschieden wird, ist das hochdramatisch. Auch mein eigenes Ausscheiden war das: Als der Luca Toni in mich hineingekracht ist, als ich hinterher mit Oberschenkelproblemen wochenlang ausfiel.
Gab es eine Aussprache mit Luca Toni?
Wir hatten direkt nach dem Spiel ein Gespräch, in dem wir nicht die schönsten Worte ausgetauscht haben. Drei, vier Monate später habe ich ihn in der Stadt wiedergetroffen, als wir mit der Mannschaft des TSV 1860 unterwegs waren. Der Luca Toni ist ja sowieso immer in der Stadt rumgeschwirrt. Da haben wir uns nochmal ein paar klare Worte gesagt. Der zeigt uns dann aber die lange Nase. Seine Millionen hat er auch so verdient.
Zu Sechzig: Jetzt kommt es auf Ihren alten Weggefährten Bierofka an, oder?
Die Dritte Liga ist möglich. Mei, ohne Bierofka hätte Sechzig diese Aussicht nicht. Was er an Herzblut und Leidenschaft seit diesem Doppelabstieg reinsteckt, ist beeindruckend. Er haut sich in jeder Sekunde rein, die der Tag ihm bietet. Du kannst aber nicht alleine die Welt erobern. Die Strukturen im Hintergrund müssen zusammenfinden.