Wunderheiler? Kurz redet vom Abstieg

MÜNCHEN - Schlechteste Mannschaft der Rückrunde, Sorge vor einem Auseinanderfallen, neues Ungemach droht: Die Löwen-Angst nach der Pleite gegen Jena. Sportdirektor Reuter: »Eine extrem schwierige Situation«
Oben im VIP-Bereich der Allianz Arena war Stefan Reuter ein gefragter Mann. Der Weltmeister von 1990 posierte immer wieder mit Fans für deren Erinnerungsfotos, lächelte brav dabei. Das sah gequält aus, aber die Anhänger hatten Verständnis. Nur zehn Minuten zuvor war ja ein schauriges Spiel zu Ende gegangen. 1:2 hatte 1860 verloren. Gegen Jena, den Vorletzten der Zweiten Liga. Reuter, der Sportdirektor, war bedient: „Das ist eine extrem schwierige Situation. Und sie wird immer schwieriger. Mit dem Misserfolg müssen wir jetzt umgehen.“
Dabei gab es seltsame Auswüchse. Gleich nach der Pleite redete Trainer Marco Kurz erstmals sogar vom Abstieg! „Vorsicht ist geboten“, sagte er. „Wir müssen die Kurve kriegen. Je weniger schnell das Erfolgserlebnis kommt, umso schneller manövrierst du dich in Regionen, in denen du dich nicht siehst.“ Es ist Angst spürbar. „Die Mannschaft ist nicht stabil und gefestigt“, sagte Kurz, „jetzt heißt es Farbe bekennen, dass wir diese Gruppe sind, die wir behaupten zu sein.“ So deutlich hatte er sein Team noch nicht öffentlich kritisiert.
Schlusslicht in der Rückrunde
Zahlen belegen die Krise. In der Heimtabelle rangiert 1860 auf Platz 15, in der Rückrundentabelle ist der Klub jetzt sogar das Schlusslicht mit nur sieben Punkten aus neun Spielen. Das sind tatsächlich die Werte eines potenziellen Absteigers.
„Vielleicht haben wir zu schnell zu träumen angefangen“, sagte Reuter, und das klang ein bisschen wie ein Schuldeingeständnis. Sie hatten ja alles so prima gefunden, nachdem Kurz als Nachfolger des geschassten Österreichers Walter Schachner zum Cheftrainer befördert worden war und die Löwen einen starken Saisonstart erwischt hatten. Der Neue bekam viel Lob. Für Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick verkörperte Kurz „eine neue Trainergeneration“; Kölns Christoph Daum prophezeihte: „Kurz wird man bald in der Bundesliga sehen.“
Die Aura eines Wunderheilers
Die Löwen-Führung rechnete mittelfristig mit dem Aufstieg, Reuter wollte den Vertrag des Trainers langfristig verlängern. Bald umgab Kurz bei 1860 die Aura eines Wunderheilers, der die Mannschaft dauerhaft auf Erfolgskurs bringt.
Jetzt stockt die Entwicklung. „Wir treten auf der Stelle“, sagte Kapitän Danny Schwarz am Sonntag, „ich bin ratlos. Die Lockerheit ist weg, eine Entwicklung ist zur Zeit nicht da.“
Es ist schon so weit, dass Fans sogar auf Kurz pfeifen. So wie gegen Jena, als der Trainer Mucki Kucukovic brachte (69.) und dafür Benjamin Schwarz vom Feld holte, einen der Besseren.
Neues Ungemach droht
Jetzt stehen zwei schwere Auswärtsspiele in Fürth und Offenbach an. Ungemach droht. In der vergangenen Saison übrigens hatten die Löwen nach 26 Spieltagen ebenfalls 35 Punkte. Nach einem 0:3 gegen Augsburg wurde Schachner entlassen. Kapitän Schwarz fordert nun: „Wir dürfen jetzt nicht auseinander fallen, da müssen wir gemeinsam durch.“
O. Griss, T. Klein