Wildmoser-Serie: Heinzi, der Pasinger Lackl

Außenseiter, Schankkeller, Würschtlverkäufer und ein hundsmiserabler Fußballer: Wildmosers enger Freund aus der Volksschule erinnert sich an die gemeinsame Kindheit: „Bläd war er ned!“
MÜNCHEN Im letzten Jahr hat der Heinzi noch einmal zum Gratulieren angerufen, in der Agnes-Bernauer-Straße beim Drexl Johann. Der Johann, zu dem der alte Wildmoser immer Jackl gesagt hat, ist da 70 geworden, ein 39er-Jahrgang, genau wie er selber, und darum sind sie ja auch in die gleiche Klasse gegangen, der Jackl und der Heinzi, die dicken Spezl aus der Pasinger Volksschule. Draxl war einer, der den Heinzi damals mochte. Einer der wenigen.
Gleich am Pasinger Marienplatz waren die Wildmosers daheim. „In der Schul’ hamms immer gsagt, des san die aus dem Armenhaus“, erzählt Draxl. Weil die Wildmosers waren arm, sehr arm. Der Papa hatte eine kleine Schusterei und eine schwere Kriegsverletzung. Als der Heinzi neun war, war der Vater tot. Zurück blieben die Witwe, fünf Kinder und große Sorgen. Darum begann der Heinzi bald zum Arbeiten. „Der hat als Bua ois gmacht“, sagt Draxl, „Schankkellner, Würschtlverkäufer, überall, wo’s a bissl was zum Verdienen geben hat.“ Gut fürs Geld, schlecht für die Noten.
Die schulischen Leistungen, zum Vergessen. Draxl sagt, dass der Heinzi oft als einziger ohne Hausaufgaben in die Schule kam. Vor lauter Arbeiten hatte er da nie Zeit dazu, sagt Draxl, und meint: „Es war ja ned so, dass er bläd war.“ Deswegen half ihm der Jackl als Klassensprecher dann auch oft. Ansonsten wusste sich der Heinzi dann auch selbst zu helfen, wenn sie ihn in der Klasse trietzten, weil er eher ein Außenseiter war. „Gefallen hat er sich nie was lassen“, sagt Drexl. „Groß, kräftig, a richtiger Lackl.“
Eine Statur, die zum Fußballspielen freilich nicht taugte. Und deswegen kickte er auf dem Bolzplatz zwar manchmal mit. Nur dass er bei der TSG Pasing mitspielte, als linker Verteidiger, wie Wildmoser später gerne erzählte, eine Mär, wie Drexl sagt. Denn dafür langte es nicht: „A guada Fuasballer war er nia.“
Dafür war er bald ein guter Metzgerlehrling, mit 14, in Rottach-Egern. Wieder daheim war er bald Wirt vom „Ledigenheim“ in der Bergmannstraße. Die Bergmannstraße kannte auch der Jackl gut, weil er da als kleiner Bub vor der Schule mit seinen Eltern wohnte, bevor sie im Krieg rausgebombt wurden.
Im „Ledigenheim“ war Drexl oft, später rückte er mit den Alten Herren von der TSG auch im Pschorr-Keller auf der Theresienhöhe an. Einmal im Jahr. Und einmal, das wird Drexl nie vergessen, räumte der Heinzi für den Jackl sogar auf der Wiesn eine Box in seiner Entenbraterei leer.
Drexl war Innendienstleiter bei einem Kücheneinrichter, und die Firma wollte auf die Wiesn. Alles war ausgebucht, auch beim Heinzi, aber weil a bissl was immer geht, wenn man mag, ging dann doch was. Wildmoser schaute die Reservierungslisten für die Boxen durch, bis er jemanden fand, der im Jahr davor nicht alles bezahlt hatte. „Woasst wos, den schmeiß ma naus“, sagte Wildmoser zum Jackl, und dann war doch noch Platz für Drexl und die Kollegen beim Entenbrater.
Auch bei den Klassentreffen war Wildmoser dabei, 1995 etwa, in der „Post“ in Pasing. Da war er schon Löwen-Präsident, und als er abends eintraf, sagte er, dass er schon seit in der Früh unterwegs sei. Bei Geburtstagen von Mitgliedern und bei sich im Büro auf der Geschäftsstelle. Kaum saß er, klingelte das Handy, im Mannschaftshotel der Sechzger weit weg in Neuperlach gab es Krach. Mal wieder Ärger zwischen den Spielern und Trainer Lorant.
Bevor der Heinzi zum Schlichten aufbrach, erzählt Drexl, drückte er dem Jackl Geld in die Hand und sagte: „Gib a Rund’n aus.“ Dann fuhr Wildmoser zufrieden davon.
Das dürfte ihm gefallen haben. Den Gönner zu geben, den Schulkameraden zu zeigen, dass er es geschafft hatte. Dass er jetzt der reiche Villenbesitzer vom Starnberger See war. Und nicht mehr der Armenhäusler vom Pasinger Marienplatz.
Florian Kinast