Wildmoser-Serie: Der Traum von Mailand
Hier erzählt ein Wirt aus Starnberg, wie er Wildmoser zu 1860 gebracht hat. So ging es bergauf mit den Löwen – acht Jahre lang.
MÜNCHEN In der „Klamotte“ war Karl-Heinz Wildmoser oft. Fast jeden Abend, wenn er heimfuhr aus der Stadt nach Niederpöcking. Die „Klamotte“, ein Nachtlokal in der Starnberger Theresienstraße, eine Cocktailbar, in der Männer verkehrten, die Wert legten auf gediegene Atmosphäre und Diskretion.
Wildmoser hatte schnell Bekanntschaft geschlossen. Mit Dinand Scheermayer, dem Wirt. Ein Holländer, seit 1972 in Starnberg, ein Freund von Martin Unger, dem Löwen-Geschäftsführer bei Präsident Karl Heckl. Dessen Nachfolgerin Lilo Knecht warf Unger raus, und so fragte Scheermayer Wildmoser dann eines Abends in der „Klamotte“ an der Bar, ob er eigentlich nicht was werden wolle bei 1860.
„Karl-Heinz hat erst abgelehnt“, erinnert sich Scheermayer, „er sagte immer, für so etwas habe er keine Zeit. Aber ich sagte ihm: Wenn einer den Verein wieder nach oben bringen kann, dann er.“ Und so gefiel Wildmoser die Idee dann doch mehr und mehr.
Im Juni 1992 übernahm er die Macht, ab da ging es aufwärts. Acht Jahre lang.
Bezeichnend war schon das Premieren-Spiel als Löwen-Präsident. August 1992, 1. Bayernliga-Spieltag, ein trostloses 2:2 in Giesing unter dem neuen Trainer Lorant gegen SC 08 Bamberg, Tore: Kneißl, Kroninger. Während das gellende Pfeifkonzert der Fans noch drüben am Ostfriedhof die Grabesruhe störte, sagte Wildmoser vor Journalisten: „Unser Anspruch ist der AC Mailand.“ Das sorgte für Heiterkeit, aber es machte deutlich, wo er hin wollte. Nach oben. Und auch weg aus Giesing.
Das sagte er schon vor seiner Wahl zu Karsten Wettberg, Löwen-Trainer von 1990 bis 1992. „Er hat damals immer deutlich gemacht, dass er raus will aus dem Grünwalder und rein ins Olympiastadion“, erzählt Wettberg. „Ich habe gewarnt, dass das zu Widerstand bei den Fans führen wird. Aber davon ließ er sich nicht abbringen – wie auch sonst nicht. Wenn er eine Linie hatte, dann zog er sie auch durch.“ Das Sechzger war für ihn einfach nicht gut genug.
Und bis zum Exodus aus Giesing ging es ganz schnell. Ab 1995, im zweiten Jahr Bundesliga, spielten die Löwen am Oberwiesenfeld. Vielleicht war das ja fast eine Art Kompensation für die Wiesn, wo er sich 1989 vergeblich als Wirt der großen Hacker-Festhalle beworben hatte, stattdessen in seinem kleinen, engen Zelt bleiben musste.
Das Grünwalder Stadion, die Entenbraterei der Löwen.
So wie das Hackerzelt hielt er auch nur das Olympiastadion angemessen, darunter machte er es nicht. Kritik daran ließ er nicht zu, wie überhaupt die Opposition im Verein nichts mehr zu sagen hatte. Wildmoser schuf sich ein braves Umfeld, Abnicker, Ja-Sager. Und wenn doch wieder einer moserte, dann kokettierte er oft mit Rücktritt. Hätte Wildmoser alle Ankündigungen wahr gemacht, dann hätte sich der Verein jede Woche zweimal einen neuen Präsidenten suchen dürfen.
Aber natürlich, der Erfolg war sagenhaft. Nowak, Pele, Häßler, Suker: Wildmoser holte sie alle, und auf einmal spielten sie auch in Europa. Im Uefa-Cup 1997, nach dem 4. Platz 2000, auch in der Champions-League-Qualifikation. Auch wenn die verpasst wurde, beim 0:1 gegen Leeds, war es ein wunderschöner Sommerabend mit 50 000 im Olympiastadion. Für jeden Löwen-Fan und auch für Wildmoser. Er weinte auf seinem VIP-Platz, weil er zurück dachte an die Bayernliga. Wildmoser wähnte 1860 fast ganz oben, und er wollte sein Lebenswerk noch weiter perfektionieren. Doch das glückte ihm nicht mehr.
Ab Bamberg ging es aufwärts. Ab Leeds bergab.
Florian Kinast