Wildmoser: „Ihr wart’s so bös’ zu mir“

MÜNCHEN - Geachtet und verachtet: Zwölf Jahre war Karl-Heinz Wildmoser Präsident der Löwen. Den Erfolgen folgte der Stadion-Skandal. Heute sagt er, dass er immer noch unter den Nachwehen leidet
Klonk. Es war ein schreckliches Geräusch – vor bald zehn Jahren im Olympiastadion. Dieses Scheppern von Aluminium, das zu hören war bis hoch auf die Gegengerade, Reihe 41, Block M1. So schön war der Freistoß von Thomas Häßler. 0:0 stand es noch gegen Leeds, und so knapp war es, weil der Ball am Tor vor der Südkurve dorthin ging, wo Pfosten und Latte zusammentreffen. Klonk.
Am Ende verloren die Löwen 0:1, nach dem 1:2 in England. So spielte Leeds statt Sechzig in der Champions League gegen Milan, Real, Barcelona und scheiterte erst im Halbfinale an Valencia, das im Endspiel gegen Bayern verlor. Sogar ein Lokalderby im Europapokal-Endspiel wäre also denkbar gewesen. Wäre hätte sollte täte. Konjunktiv.
Aber Häßler hatte den Ball eben ans Kreuz genagelt. Beim Passionsspiel vom Oberwiesenfeld.
Karl-Heinz Wildmoser hatte ja schon vor Anpfiff Rotz und Wasser geheult, vor lauter Rührung. 50 000 Fans im Stadion, einzigartig, und danach sagte Wildmoser, dass er an die letzten acht Jahre gedacht hatte, an den Weg von der Bayernliga nach Europa.
1992 war er Präsident geworden, Nachfolger der glücklosen Turnwartin Lilo Knecht. Sechzig war gerade in die Bayernliga runter, erste Amtshandlung war die Verpflichtung von Trainer Werner Lorant. Es gab viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Hinterbrühler Gastwirt mit seiner jovialen Geselligkeit und dem westfälischen Trainer, der manchmal schlechte Manieren hatte und meistens gar keine. Beides Sturschädel, beides Typen, die polarisierten.
Durch die Beiden zeigte der Weg von 1860 so steil nach oben wie damals noch die gezwirbelten Schnurrbartenden Wildmosers. Zweite Liga, Meppen, Bundesliga, Leeds. Acht Jahre, in denen Karl-Heinz Wildmoser stets die Bürde des Amtes betonte, so war der meistgehörte Satz bei ihm: „Ihob koa Lebensqualität.“ Aber dafür hatte Sechzig Erfolg, acht Jahre, dann begannen die Krisen.
14 Monate nach der Champions-League-Qualifikation ein 1:5 gegen Bayern, Lorant musste gehen. Heute reden die beiden nicht mehr miteinander, und wenn, dann streiten sie wie jüngst beim Jubiläum von „Blickpunkt Sport“ auf bedenklichem Niveau.
Mit seinem Sohn, dem Heinzi, spricht der alte Wildmoser gar nicht mehr. „Der hat mir zehn Jahr’ lang nur Schmarrn vazäit“, sagt der Senior heute. Die Schmiergeldaffäre um das Fröttmaninger Stadion ruinierte Wildmosers Traum, sich zusammen mit den Bayern zwischen U-Bahn-Gleisen, Autobahnkreuz und Kläranlage einen Prunkbau für die Ewigkeit zu errichten.
In den Nachwehen der Affäre trat Wildmoser 2004 zurück, seit zwei Wochen ist er 71 und noch immer verbittert wegen der „offenen Narben“, an deren Wunden auch die Medien schuld gewesen sein sollen. „Ihr wart’s ja aa immer so bös’ zu mir“, sagte er dieser Tage zur AZ.
Zum Jubiläum von Sechzig mag er nichts sagen, dafür spricht er vom Zuspruch alter Fans. „Ich hör jeden Tag zehn Mal: ,Karl-Heinz, werd’ doch bittschön wieder Präsident.“ Und auf diese zehn Menschen, die das wollen, kommen womöglich zehn andere, die sich genau das nicht wünschen.
Gerade die Ablehnung zum Umbau des Grünwalder Stadions machte ihn zum Feindsymbol in weiten Teilen Giesings. Der sportliche Erfolg in seiner Amtszeit freilich bleibt unbestritten und unvergessen, Häßlers Lattenkreuz, es klonkt noch heute nach.
Dass die Löwen damals eine europäische Spitzenmacht geworden wären, Unfug. Mit Leeds ging es ja auch bergab. Wie Sechzig stieg auch United 2004 ab, 2008 sogar in die dritte Liga, erst gerade eben schafften sie den Wiederaufstieg in die zweite. Eine schlechte Bilanz in den letzten zehn Jahren. Noch miserabler als bei Sechzig.
Florian Kinast