Wettberg: "So wurde ich zum König von Giesing"

Am Donnerstag feiert der frühere Löwen-Trainer Karsten Wettberg 70. Geburtstag. Hier erzählt er, warum er sich so oft auf Händen tragen ließ und wieso er erst spät zum Fan des TSV 1860 wurde
AZ: Karsten Wettberg, König von Giesing, hören Sie das heute noch?
KARSTEN WETTBERG: Das höre ich noch oft, ja. Viele Leute fragen mich, ob mich das nicht stört...
...Sie sind ja Sozialdemokrat. Die stehen gemeinhin nicht im Verdacht, Royalisten zu sein!
War ich auch nie. Aber die Bezeichnung stört mich nicht. Ich weiß ja, wie das entstanden ist. Ich verstehe das durchaus als eine Wertschätzung.
Die Bezeichnung hat damals Alt-OB Georg Kronawitter geprägt, richtig?
Auch ein Sozialdemokrat. Als wir damals nach neun Jahren Bayernliga den Aufstieg geschafft haben, hat der Kronawitter auf dem Rathausbalkon gesagt: „Ich bin Euer Oberbürgermeister, aber heute habt Ihr einen König von Giesing!” Den Begriff aufgebracht hatte damals aber die Maxi.
Bitte, wer?
Ein Fan, leider schon verstorben. Die Maxi war damals schon richtig korpulent, war ursprünglich aber ein richtig hübsches Mädchen gewesen. Der sagen’s nach, dass sie in den Sechziger Jahren ein Verhältnis mit dem Perusic gehabt hat. Die Maxi hat mich jedenfalls gehasst ursprünglich, als ich noch Trainer von Haching war. Aber als ich dann bei 1860 war, hat sich bald das Ritual eingebürgert, dass mich die Fans nach den Heimspielen auf ihren Schultern in die Stadion-Wirtschaft getragen haben – wir haben damals schließlich 54 Spiele hintereinander nicht verloren! In der Wirtschaft gab’s immer ein Glaserl Sekt, und die Maxi hat irgendwann angefangen, mich so zu bezeichnen – so wurde ich zum König von Giesing.
Vor dieser Zeit haben Sie 1860 aber einige Male die Tour vermasselt, galten sogar als Löwen-Schreck.
Ich hab mit den beiden Ingolstädter Vereinen MTV und ESV, mit Landshut und Haching erfolgreich verhindert, dass sie aufsteigen. Und einmal wären sie wegen einer Niederlage bei uns sogar fast aus der Bayernliga abgestiegen. Als 1860 dann kurz vor Weihnachten 1989 zum dritten Mal bei mir angefragt hat, hab ich zugesagt, nach Ende der Saison zu kommen.
Doch das führte zur ersten Entlassung Ihres Lebens.
Ich war mit Unterhaching in der Zweiten Liga, wir standen kurz vorm Abflug ins Winter-Trainingslager nach Portugal. Die AZ hatte damals aufgedeckt, dass ich zu den Löwen wechseln würde. In Haching war die Hölle los, der Toni Schrobenhauser (langjähriger Schatzmeister, die Red.) kam zu mir und meinte in seiner unnachahmlichen Art: „Trainer, willst mehr Geld, a größeres Auto?” Ich wollte aber zu 1860. Haching hat mich also beurlaubt, 14 Tage später war ich bei den Löwen.
Angeblich soll damals sogar Ablöse geflossen sein...
Ja, der Schrobenhauser wollte 100000 Mark. Ob wirklich jemals was geflossen ist, weiß ich aber nicht.
Aber wieso dieser freiwillige Rückschritt von der Zweiten Liga in die Bayernliga?
Ich wusste, wenn ich jetzt nicht zusage, dann komm’ ich nie mehr zu 1860. Und die Löwen waren der Kultklub in der Bayernliga und mir immer schon sympathisch gewesen.
Und 54 Spiele später waren Sie der König von Giesing! Hand aufs Herz: Die Popularität, die Sie bis heute haben, schmeichelt Ihnen, oder?
Das gebe ich gerne zu. Ich werde oft angesprochen. Egal, wo ich hingehe. Meine Familie stört es aber schon. Aber wenn mir nach 20 Jahren immer noch diese Popularität begegnet, dann kann mein Tun nicht so schlecht gewesen sein. Und klar ist: Ohne 1860 wäre ich nie so bekannt geworden.
Aber zum Löwen-Fan wurden Sie erst nach Ihrer Amtszeit, oder?
Zum richtigen Sechzger, das stimmt. Mein Verein war ursprünglich der HSV. Einmal bin ich, das muss 1963 oder 1964 gewesen sein, zum Spiel der Löwen nach Hamburg gefahren. Im Sonderzug, voll von Löwenfans. Ich hatte eine eingerollte HSV-Fahne dabei, die ganze Fahrt hab’ ich gehofft, dass niemand das Ding ausrollt. Nicht, dass sie mich am Ende verprügelt hätten...
Großen Widerstand mussten Sie auch erfahren, als Sie 2006 Löwen-Präsident werden wollten.
Ich kann nur sagen, dass ich dem Verein wirklich helfen wollte damals. Die totale Spaltung der Fanszene, die durch diesen Wahlkampf zwischen Otto Steiner und mir drohte, die habe ich nicht gewollt. Und Herr Steiner sicher auch nicht.
Aber Sie haben sich dennoch von der Fanvereinigung Pro 1860 vor den Karren spannen lassen.
Das wurde so gesehen. Aber ich wollte den Leuten den Wind aus den Segeln nehmen, die für eine Insolvenz des Vereins waren. Richtig ist aber, dass das ganze eine Dynamik bekommen hat, aus der wir nicht mehr herauskonnten.
Wieso sind Sie dann schließlich Vizepräsident geworden?
Ich hab’ mich von Willi Mantel (mitlerweile verstorbener ehemaliger 1860-Aufsichtsrat, die Red.) überreden lassen. Ich habe von diesem Kompromissvorschlag, Albrecht von Linde zum Präsidenten und Steiner und mich zu Vizes zu machen, nichts gehalten. Von Linde hatte von diesen Dingen einfach zu wenig Ahnung. Als ich gemerkt habe, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen ihm und Stefan Ziffzer (damals Löwen-Geschäftsführer, die Red.) war, da war es schon zu spät.
Nach von Lindes Rücktritt waren Sie ihr Amt auch los.
Das war klar. Aber ich bin stolz darauf, dass ich damals Franz Maget überreden konnte, Vizepräsident zu werden. Er hat es fast im Alleingang geschafft, gegen alle Widerstände auch aus seiner Partei den Erhalt des Sechzger Stadions zu sichern. Und ich bin so froh, dass diese unsägliche Fanspaltung vorbei ist.
Mittlerweile ist Dieter Schneider 1860-Präsident.
Gott sei Dank! Er ist ein absoluter Glücksfall für den Verein, der beste Präsident, den man sich vorstellen kann! Er hat endlich alle Beteiligten gezwungen, zu sparen. Ich kenne ihn schon seit über zehn Jahren, von Fahrten zu Auswärtsspielen. Er und seine ganze Familie sind blau bis zur Unterhose – ohne der Frau Schneider jemals auf die Unterhose geschaut zu haben.