Wettberg: Ohne Bierofka wäre nur Fasching bei 1860 - Trainer-Diskussion bei Sechzig
Der 76-Jährige Karsten Wettberg führte als Trainer den TSV 1860 zu Beginn der Neunziger Jahre von der Bayernliga in die Zweite Liga.
AZ: Herr Wettberg, 1860 ist im Sommer zwei Spielklassen tiefer gestürzt. Für Trainer Daniel Bierofka war es ein Aufstieg vom U21-Trainer zum Chefcoach. Nur: Bierofka, der die Löwen zur Winterpause auf Rang eins in der Regionalliga führte, besitzt immer noch seinen alten Vertrag.
KARSTEN WETTBERG: Ohne dass ich die Gedanken von Geschäftsführer Michael Scharold, dem Präsidium oder Hasan Ismaik kenne: Ich kann mir nicht vorstellen, dass nicht schon längst klar ist, Daniel Bierofka längerfristig an den Verein zu binden.
Gespräche wurden, wie Bierofka zum Abschluss des Trainingslagers in Oliva Nova erklärte, noch nicht geführt. Verwunderlich für Sie?
Man hätte es gar nicht erst soweit kommen lassen dürfen, dass darüber debattiert werden muss. Das darf doch gar keine Frage sein! Der Daniel ist eine absolute Identifikationsfigur, für Sechzig unersetzlich. Es gibt im ganzen Verein keinen wichtigeren Mann. Es wäre schlimm, wenn da auch nur der Gedanke da wäre, einen anderen Weg zu gehen.
Warum sind die Löwen dann noch nicht in die Gänge gekommen?
Der Verein hat schon viele Fehler gemacht, oft ging es drunter und drüber, darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren oder nachtarocken. Es lässt sich eigentlich nur auf den Umbruch zurückführen. Man hat zwei Lager im Verein, die endlich zusammenkommen und einen gemeinsamen Nenner finden müssen. Aber in den letzten Wochen und Monaten war eigentlich genug Zeit. Ich verstehe nicht, warum man es versäumt hat, mit Bierofka zu reden. Ich frage mich auch: Warum passiert da nichts?
In der Winterpause haben die Sechzger nur den vereinslosen Michael Görlitz geholt. Ein Fingerzeig, wie es um die Finanzen des Klubs steht?
Das kann ich nicht beurteilen. Was ich aber dazu sagen kann: Für Biero muss Sechzig an die Schmerzgrenze gehen. Viele im Verein werden das nicht gerne hören, aber für ihn würde ich auch ein weiteres Darlehen aufnehmen, obwohl man sich ja dagegen entschieden hat. Es sollten dann doch beide Seiten daran interessiert sein, dass er Sechzig erhalten bleibt. Alles andere wäre ein Kardinalfehler, ein schlechter Witz.
Bierofka sagte auch, er müsse das akzeptieren und habe bis Sommer "keinen Kopf und keine Zeit mehr" für Verhandlungen.
Wer Biero kennt, der weiß: Er ist ein leidenschaftlicher Mensch. Vielleicht war das auch eine Gegenreaktion. Ein neuer Vertrag würde ja nicht nur eine Gehaltsanpassung bedeuten, es wäre auch eine Wertschätzung für seine geleistete Arbeit. Und Wertschätzung braucht jeder Mensch, egal in welchem Beruf. Wenn du so einen Mann hast, musst du ihn hegen und pflegen.
…sonst gibt er eventuell entnervt auf.
Grundsätzlich muss man sagen: Bierofka und Sechzig, das gehört zusammen. Er ist hier verwurzelt und ein absoluter Löwe. Aber man darf eines nicht vergessen: Er könnte durchaus den ein oder anderen Profiverein in höheren Ligen interessieren. Schauen Sie nur mal nach Augsburg: Wenn jemand vor vier, fünf Jahren gesagt hätte, dass Manuel Baum dort Trainer ist – damals war er noch bei Unterhaching. Oft kann es im Fußball schneller gehen, als man denkt.
Stichwort Geschwindigkeit: Wie wichtig wäre der Aufstieg Ihrer Meinung nach schon in der laufenden Saison?
Klar ist, nicht nur für die Perspektive vom Trainer, auch für die Mannschaft: Sechzig muss bald aufsteigen, sonst ist die ganze Aufbruchsstimmung ganz schnell wieder weg. Für mich in den nächsten zwei Jahren. Nächstes Jahr ist es mit vier Aufsteigern vielleicht einfacher, aber deswegen immer noch nicht leicht. Dass Bierofka bei dem Projekt die wichtigste Rolle einnimmt, muss man doch keinem mehr erklären. Ihn zu verlieren, wäre eine Katastrophe. Dann wäre bei Sechzig nur noch Fasching.