Was ist 1860 wert?

Der Klub möchte frisches Geld beschaffen und dafür einen Investor zulassen. Die AZ erklärt,wie das läuft, wo die Risiken liegen – und wie Präsident Beeck das Geschäft angeht
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Immer noch beliebt in Deutschland: Die Marke 1860.
az Immer noch beliebt in Deutschland: Die Marke 1860.

Der Klub möchte frisches Geld beschaffen und dafür einen Investor zulassen. Die AZ erklärt,wie das läuft, wo die Risiken liegen – und wie Präsident Beeck das Geschäft angeht

MÜNCHEN [Aufsichtsrat-Sitzungen beim TSV 1860 haben ja zuweilen einen hohen Unterhaltungswert. Oft genug ist etwas Kurioses oder Umstürzlerisches dabei passiert. Am kommenden Montag, am Tag nach dem Zweitliga-Derby gegen Ingolstadt (14 Uhr), kommen die Aufsichtsräte wieder mal zusammen an der Grünwalder Straße. Präsident Rainer Beeck hat eingeladen, und was der zu besprechen hat, könnte für 1860 mal wieder einen Einschnitt bedeuten.

Denn Beeck (46), im Hauptberuf Flughafen-Manager, erwägt inzwischen, einen Investor in den Klub zu holen. Also Anteile abzugeben und im Gegenzug Geld einnehmen, um die kritische finanzielle Gesamtlage zu verbessern. Die wichtigsten Fragen dazu.

Welche Investoren kommen in Frage?

Das halten die Löwen noch unter Verschluss. „Wir sind in Gesprächen“, sagte Beeck nach dem Pokalspiel gegen Duisburg (5:4 n. E.). „Allerdings suchen wir qualitativ hochwertige Investoren. Wir brauchen keine Finanz-Hasardeure.“ Am liebsten wären Beeck Geldgeber aus dem Münchner Umland, die bereit sind, mit 1860 langfristig zu planen. Etwa wie MAN. Der Münchner Fahrzeughersteller will angeblich künftig mehr Geld in den 1860-Sponsortopf zahlen. Der inzwischen entlassene Geschäftsführer Stefan Ziffzer wollte 2006 mit der US-Investmentbank Morgan Stanley 1860-Genussscheine unters Volk bringen – aber die sagte ab.

Was ist 1860 wert?

„Momentan ist der Kurswert der Löwen vergleichbar mit der der Postbank: Er ist im Keller“, sagt der Münchner Marketing-Experte Peter Ehm („Headline“). „Der Preis ist schlecht. 1860 ist der talk in town, wenn es um Pfusch im Fußball geht. Stefan Ziffzer hatte schon recht mit seiner Aussage, dass der Fisch vom Kopf stinke.“ Vor zwei Jahren sei der Wert des Klubs, so schätzt Ehm, noch um 80 Prozent höher gewesen.

Der Markenwert lasse sich in absoluten Zahlen nicht ermitteln. Ehm: „Trotzdem gehört 1860 immer noch zu den 20 beliebtesten Klubs, das ergab eine deutschlandweite Umfrage von Sportfive. 1860 steht in Deutschland in der Beliebtheitsskala vor Real Madrid, Barcelona oder Cottbus.“ Hartmut Zastrow von „Sport + Markt“ meint: „Die Marke 1860 läuft Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. 1860 muss dringend etwas tun, sonst verschwindet sie vom nationalen Markt. Sonst droht ihr gleiches Schicksal wie Fortuna Düsseldorf.“ In der 1860-Führung glauben sie, wenigstens zwei Millionen Euro von einem Investor zu bekommen, wenn der im Gegenzug zehn Prozent der Löwen-KGaA erhölt. Aufsichtsrat Jo Brauner (früher Telekom) sieht bei 1860 sowieso die weichen Werte im Vordergrund: „Sechzig ist Kult – das kann man nicht in Zahlen aufwiegen.“

Wofür braucht 1860 Geld?

Einerseits um Engpässe zu überwinden. 1860 muss der DFL finanzielle Nachweise bringen, um die Lizenz zu erhalten. Der Arbeitsprozess, den der gefeuerte Ziffzer anstrengt, könnte einen hohen sechsstelligen Betrag kosten. Das Gehalt des beurlaubten Co-Trainers Günther Gorenzel muss weiter bezahlt werden. Zudem will 1860 - möglichst schon im Winter – in neue Spieler investieren.

Wo liegen die Risiken?

Ein Investor könnte als Bedingung für seinen Einstieg darauf drängen, eigene Leute im Klub zu positionieren. Auch um sicherzustellen, dass sein Geld in guten Händen ist. Beeck schließt so etwas aus: „Ein Investor, der wesentliche Vereinsfunktionen besetzen will, ist ein No-Go.“

Welche Klubs haben Anteile abgegeben?

Die FC Bayern AG verkaufte im Jahr 2002 zehn Prozent seiner Anteile an Ausrüster Adidas – für 77 Millionen Euro. Borussia Dortmund ist seit Oktober 2000 an der Börse. Die BVB-Aktie, bei 11 Euro ausgegeben, ist nur mehr 1,42 Euro wert.

Wie läuft das im Ausland?

IFür DFL-Klubs gilt – noch – die „50+1“-Regel: Die Klubs müssen die Mehrheit ihrer Anteile halten. Im Ausland ist das anders. In England machte Unternehmer Mohamed Al Fayed 1997 den Anfang, als er für 40 Millionen den FC Fulham kaufte. Weitere Übernahmen folgten, etwa durch Milliardäre wie Roman Abramowitsch (Chelsea) und Malcolm Glazer (ManU). Der vorerst letzte Coup in der Premier League: Die Abu Dhabi United Group von Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan will 250 Millionen Euro in Manchester City pumpen.

Können 1860-Delegierte den Einstieg eines Investors verhindern?

Nein. Ein Mitglied der Satzungskommission: „Das ist in der alten Satzung nicht geregelt – und die neue ist bis zur nächsten Delegiertenversammlung Ende November nicht fertig.“

Oliver Griss

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