Was blieb von all den Löwen-Trainern?

Bald ist Friedhelm Funkel nur noch Geschichte bei 1860 – von den meisten seiner Vorgänger ist kaum mehr übrig als die ein oder andere kuriose Story. Die AZ erinnert sich an Schoko-Schachner & Co..
von  Filippo Cataldo
An seinem 60. Geburtstag feierten die Löwen-Bosse mit ihrem Trainer Friedhelm Funkel.
An seinem 60. Geburtstag feierten die Löwen-Bosse mit ihrem Trainer Friedhelm Funkel. © sampics

München - Nun also ist auch Friedhelm Funkel bald weg. Wie so viele seiner Vorgänger – von denen nicht viel geblieben ist. Oder? Angefangen hat die Malaise bei den Löwen ja im Herbst 2001, als Werner Lorant gehen musste. Dabei ist der noch immer präsent an der Grünwalder Straße. In den Köpfen, Herzen und Seelen vor allem der liebenswürdigen Obergrantler des Löwenstüberls steht „der Werner“ noch immer über allem.

Neun Jahre war er hier, dieser Werner Beinhart mit weichem Kern, der ganze Heerscharen von Spielern verschliss. Keiner seiner zehn Nachfolger kam auch nur annähend an Lorants Amtszeit und Popularität heran. Irgendwie scheiterten sie alle auch am großen Schatten Lorants.

Ab dem Sommer versuchen die Löwen es mit dem elften Trainer, gesucht wird nun ein eher junger Konzept-Trainer, ein Typ wie Markus Weinzierl (Augsburg), Thomas Tuchel (Mainz) oder Holger Stanislawski (frei). Es ist dann an dem Neuen, mehr Spuren zu hinterlassen als seine zehn Vorgänger. Von denen blieb schließlich nicht allzu viel:

Peter Pacult (Oktober 2001 bis März 2003): Kam gerne mit der Harley, frühstückte dann oft noch im Stüberl, ehe er zum Training bat. Machte das Beste aus den Möglichkeiten, überwarf sich aber auch mit Thomas Häßler, dem einzigen verbliebenen Star im Team. Wurde auf Bundesligaplatz acht liegend in einer Nacht- und Nebel-Aktion gefeuert, weil Präsident Karl-Heinz Wildmoser, kein Witz, „Angst“ hatte, „im Mittelfeld der Tabelle zu versinken.“ Das muss man sich mal heute auf der Zunge zergehen lassen. Pacult erfuhr von seiner Entlassung erst, als sein Nachfolger Falko Götz schon verpflichtet war. Bis heute ein Sympathieträger des Klubs.

Falko Götz (März 2003 bis April 2004): Diese Föhnwelle! Diese Waden! Diese Eloqu – äh, okay: Diese Dampfplauderei! "Die Löwen müssen wieder kämpfen, kratzen beissen. Die Fans müssen wieder ins Stadion kommen", sagte er an seinem ersten Tag. Die Fans aber: blieben weg. Von der Schickeria dagegen wurde der Berliner freundlicher empfangen. Die Löwen wurden unter Götz dennoch erst zur Grauen Maus der Liga, ehe er die Mannschaft dann zielstrebig Richtung Abgrund trainierte. Was von ihm blieb? Er trainierte die Mannschaft während des Stadion-Skandals und der Verhaftung Wildmosers und ist schlicht: Das größte Missverständnis der letzten 20 Jahre.

Gerald Vanenburg (April - Mai 2004): Der Europameister von 1988 und Ex-Profi hatte nur einen Auftrag: Bleib drin! Stattdessen: Hertha, Kioyo, Elfmeter, Gladbach, Aus! Hätte besser laufen können.

Rudi Bommer (Juni bis Dezember 2004): Er hatte nur einen Auftrag: Führ uns wieder hoch! Holte eine ganze Kompanie abgehalfterter Bundesliga- Und Zweitligaspieler (Kalla Pflipsen, Pscal Ojigwe, Marco Gebhardt, Erol Bulut, Slobodan Komljenovic und und und), gab dafür auch das letzte Geld aus, das der Klub schon nicht mehr hatte. Die alten Kämpen spielten oft remis, Bommer musste gehen, die Schulden wuchsen.

Reiner Maurer (I) (Dezember 2004 bis Januar 2006): Verbannte Bommers Altherrenriege auf die Tribüne, verpasste mit den jungen Baier, Lehmann, Schäfer den Aufstieg erst am letzten Spieltag. Ließ guten Fußball spielen, seine ruhige Art kam an. Wurde dennoch am ersten Spieltag nach der Winterpause der Folgesaison auf Platz vier liegend entlassen, weil er den Bossen, auch kein Witz, zu bieder war. Die holten stattdessen den Manager-Novizen Stefan Reuter und den vermeintlichen Welt-Trainer Walter Schachner. Maurer führte den Jugendstil ein bei 1860. Und zeigte: Seriös geht's zwar ganz gut, an der Grünwalder Straße aber damals nicht sehr lange.

Walter Schachner (Januar 2006 bis März 2007): Der Weltmann aus dem 3000-Seelen-Ort St. Michael in Kärnten im Millionendorf München - das musste passen. Und tat es dennoch nur bedingt. Schachner fühlte sich sehr wohl in München, in der Maximilianstraße vielleicht etwas mehr als in Giesing. Den Titel als bestgekleideter Trainer Deutschlands nahm ihm erst Pep Guardiola wieder ab. Führte bei 1860 die Schoko-Tabelle und Begrifflichkeiten wie „meine Philosophie“, „mein Konzept“ und „getönte Strähnchen“ ein. Legendär sein Diesel-Audi, den er mal mit Benzin betankte und sein weißer Bademantel, den er nach den Trainingseinheiten und nach dem Duschen gerne in der Geschäftsstelle spazieren trug. Unvergessen auch, wie er, der Cordoba-Held, Gijon-Unwissende und Ex-Italien-Legionär im Training gerne mitspielte und seine jungen Verteidiger narrte. In der Liga mussten die Spieler aber ohne ihn auskommen und spielten: meist ohne Erfolg.

Marco Kurz (März 2007 bis Februar 2009): Die Bender-Zwillinge, Timo Gebhart, dazu noch Berkant Göktan, Daniel Bierofka und später noch Benny Lauth: Zeitweise spielten acht Bayern in seiner Mannschaft. Kurz war ziemlich erfolgreich zu Beginn seiner ersten Trainerstation im Profibereich. Er etablierte bei 1860 das 4-2-3-1-System, das im Grunde auch heute noch gespielt wird, begeisternden Leistungen folgten regelmäßig Rückschläge. Je länger Kurz Trainer war, etablierte er aber auch eine gewisse Freudlosigkeitin Giesing. Wurde passenderweise an einem Rosenmontag gefeuert - und fuhr trotzdem noch zur Spielbeobachtung nach Hamburg. 

Uwe Wolf (Februar bis April 2009): Ein Interimscoach, der nicht so genannt werden wollte. Was von ihm bleibt? Seine Sprüche, sein Selbstbewusstsein, das er weiß Gott woher nahm, sein  „Wir gewinnen! Wir gewinnen!“-Mantra. Und Niederlagen.

Ewald Lienen (April 2009 bis Juli 2010): Kauzig und hochsympathisch. Sprach fünf Sprachen, wendete alle auch im Training an. Bildete mit Miki Stevic und Manfred Stoffers ein Intellektuellen-Zirkel mit Mitteilungsdrang und unbändiger Kauflust in Zeiten der drohenden Insolvenz. Verpflichtete gemeinsam mit ihnen Profis aus Algerien, Griechenland, Brasilien, Perú, Nigeria, Argentinien, Serbien, Albanien und Rumänien, überzogen so gnadenlos das Budget. Den Aufstieg schafften sie dennoch nicht. Was bleibt? Er redete so lange auf den heutigen griechischen Nationalspieler Jose Holebas ein, bis auch der einsah, als Außenverteidiger deutlich erfolgreicher sein zu können denn als Stürmer, der das Tor nicht trifft. Und sonst? Herrliche Vorträge beim Apfelessen (er isst das Kerngehäuse mit), ewig lange Vorhaltungen über  Rauchen und Gummibärchenkonsum - während er sich ein paar Bärchen einwarf, anregende politische Diskussionen,  teils ganz schlimmer Konterfußball – und eine Ablöse von Olympiakos Piräus für ihn.

Reiner Maurer (II) (Juli 2010 bis Oktober 2012): Behielt in akuter Insolvenzgefahr die Ruhe, hielt die Löwen auch im folgenden Konsolidierungsjahr, in dem die Sechzger mit der günstigsten Mannschaft seit Ewigkeiten spielten, souverän im oberen Tabellendrittel. Loyal bis in die Haarspitzen - zu loyal. Ließ sich zu viel gefallen, muckte zu selten auf, fraß den Ärger lieber in sich hinein. Am Ende nannten ihn einige in der Kabine "Autist". 

Alexander Schmidt (Oktober 2012 bis September 2013): Hätte Sven-Göran Eriksson sein müssen, um Investor Hasan Ismaik zu gefallen. War aber nur: Alex Schmidt. Wollte Ballbesitzfußball etablieren, ließ am Anfang stundenlang Taktik trainieren, um dann am letzten Tag der Transferperiode Rob Friend zu verpflichten und doch wieder lang und weit zu spielen. Fühlte sich zunehmend weniger ernst genommen, nahm dann Benny Lauth die Kaptänsbinde weg und warf ihn aus dem Mannschaftsrat. Statt Autorität zu gewinnen, nahm ihn das Team nicht mehr ernst. Bei seinem letzten Spiel verfolgte er die Partie regungslos und in sich zusammengesackt auf seinem Stuhl. Veritables Opfer eine subtilen Spieler-Revolte.

Friedhelm Funkel: Sportlich wird von ihm wohl nicht viel bleiben. Auch wenn der Fußball zuletzt besser wurde und zum ersten Mal seit Ewigkeiten eine sportliche Linie erkennbar war. Dafür aber: Ganz viel Menschlichkeit. Der erste Coach, für den es Salut-Schüsse zum Geburtstag gab. Ein Voll-Profi. Auch als Ex-Coach ein Sieger.

 

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