Warum verkaufen die Löwen ihr Tafelsilber, Herr Stevic?

Nach Gebhart, Johnson und Sven Bender wechselt nun auch dessen Bruder Lars in die Bundesliga. Der 1860-Sportdirektor erklärt, warum die Transfers aus seiner Sicht unvermeidlich waren
MÜNCHEN Der Abschieds-Löwe aus Porzellan für Lars Bender ist schon poliert: Am Dienstag wird das 20-jährige Ausnahme-Talent wohl schon nicht mehr auf dem Trainingsgeände an der Grünwalder Straße auftauchen. Der vorzeitige Wechsel des U20-Nationalspielers nach Leverkusen sollte am Montagabend – nach der Vorstandssitzung bei Bayer fixiert werden. Der Bundesligist wird dem TSV 1860 etwas mehr als 2,5 Millionen Euro Ablöse für Bender überweisen. Eine Summe, die auch alle zufriedenstellt?
Zumindest ist Bender das nächste große Löwen-Talent, dass den Zweitliga-Klub innerhalb der letzten neun Monaten verlässt. Ein Ausverkauf auf Kosten der sportlichen Zukunft? Vor dem Mittelfeldspieler (57 Zweitliga-Einsätze für 1860) haben schon Timo Gebhart (für drei Millionen Euro nach Stuttgart), Fabian Johnson (eine Million Euro/Wolfsburg) und Sven Bender (Gegengeschäft mit Borussia Dortmund im Zuge des Rukavina-Transfers) aus Giesing vorzeitig verabschiedet. Viele Fans sorgen sich: Verkaufen die Löwen ihr Tafel-Silber?
Darauf antwortet Sportdirektor Miki Stevic in der AZ: „Es gibt 1000 Gründe: Die kleinen Vereine leben von solchen Transfers. Dann sind die Kosten für die Allianz Arena zu hoch. Und drittens muss man ausbleibenden Erfolg mit Verkäufen kompensieren.“
Oft wird agumentiert, dass der Zweitligist, doch jenes Geld, dass er für die Neuzugänge ausgegeben hat, auch hätte benutzen können, um die Verträge der Jungstars anzuheben. Dem entgegnet Stevic, dass der Hauptgrund für die Transfers die kurzen Laufzeiten sowie versteckte Klauseln in den Verträgen seien. Als Bespiel führt er Fabian Johnson an. „Er war einer meiner Lieblingsspieler“, sagt Stevic, „ich wollte ihn unbedingt halten. Aber er hatte nur einen Vertrag bis 2010. Ich hatte ihm ein neues Angebot gemacht – mit der Aussicht, dass er irgendwann zu den Topverdienern gehört. Er wollte nicht. Es ist schwer, jemanden zu halten, der weg will.“
Bei den Bender-Zwillingen war’s noch verzwickter: Beide U19-Europameister hatten eine Ausstiegsklausel für 2010 – mit einer fixen Ablöse von je 1,6 Millionen Euro. „Mir waren die Hände gebunden“, sagt Stevic, „aber solche Ausstiegsklauseln wie in der Vergangenheit wird es nicht mehr geben. Der Verein hat seine Politik grundlegend geändert: Unsere wichtigsten Talente haben langfristige Verträge.“ Wie Manuel Schäffler (bis 2012), Tarik Camdal (bis 2013), Sandro Kaiser (bis 2012), Peniel Mlapa (bis 2011) oder U19-Nationaltorwart Björn Bussmann (2011). Sie sind das neue Tafelsilber.
„Es sind gute Talente weggegangen“, gibt Stevic zu. Er sagt aber auch: „Die, die nachkommen, haben die gleiche Qualität, einige sind sogar besser.“
Oliver Griss