Warum der TSV 1860 dahoam wieder fremdelt
München - Schon zum zehnten Mal graue Betonblöcke statt weiß-blauem Fahnenmeer in der Westkurve. Zum zehnten Mal nicht "Mit Leib und Seele aus voller Kehle", sondern lediglich laute Schreie von Trainern und Spielern, die sonst im Getümmel völlig untergehen. Zehn Mal zwang die Corona-Krise die Löwen saisonübergreifend schon zu einem Drittliga-Heimspiel ohne Heim-Atmosphäre.
Keine Heim-und Auswärtsspiele mehr, bestätigt Köllner
"Es gibt momentan keine Heim- oder Auswärtsspiele mehr", sagte Cheftrainer Michael Köllner etwas bedrückt vor dem Duell des TSV 1860 am Samstag mit dem Halleschen FC (14 Uhr), um zu verdeutlichen: Die Unterstützung der 15.000 Zuschauer auf Giesings Höhen fehlt den Sechzgern, die das altehrwürdige Grünwalder Stadion vor dem Corona-Zeitalter zu einer Festung gemacht hatten.
Der Blick auf die Zahlen zeigt, sowohl nach den jüngsten Saisonpleiten Nummer eins und zwei gegen Saarbrücken und Duisburg, als auch in der abgelaufenen Spielzeit: Die aktuelle Corona-Heimbilanz (ein Sieg, ein Remis und zwei Niederlagen) fällt ähnlich aus wie im Endspurt der vergangenen Saison (drei Siege, drei Pleiten). Leidenschaftliche Löwen, die mit den Anhängern im Rücken schon die verrücktesten Fußball-Feste feiern durften, im leeren Rund? Das passt nicht. Fremdeln dahoam!
Corona: Unmut wegen Geisterspiele
Die Geisterspiele, sie gehen allen Beteiligten ganz grundsätzlich zunehmend auf den Geist. Nicht zuletzt den Männern an den Seitenlinien. "Auf Dauer wird das schon eine einsame Veranstaltung. Ich konnte das eine Zeit lang verdrängen, aber jetzt ist es schon richtig zäh", erklärte etwa Freiburgs Trainer Christian Streich vor dem Spiel seiner Breisgauer gegen RB Leipzig am Samstag: "Jetzt ist es schon deprimierend teilweise, wenn das immer so leer ist."
Köllner bekräftige nun mit Blick auf das Halle-Spiel die Worte seines Kult-Kollegen. "Ich kann nur unterstreichen, was Christian Streich gesagt hat. Gerade wenn du zu Hause spielst, eine Serie von Eckbällen hast - dann fehlen dir die Fans, die dir den Ball über die Linie drücken", meinte Köllner über den tosenden Support der Löwen-Anhängerschar.
Relikte im Profifußball
Der ehemalige Bundesligatrainer des 1. FC Nürnberg ähnelt seinem Freiburger Trainerkollegen "in manchen Punkten", wobei Köllner wohl eher fachlich-taktische Aspekte gemeint haben dürfte. Aber auch: "Wir sprechen beide Dialekt als einem der wenigen Relikte im Profifußball", so der Oberpfälzer über seine eigene Mundart und das Alemannisch des Süd-Badensers Streich.
Aber zurück zum Thema: Der "Streich von Giesing" konnte seine zunehmende Abneigung gegen Geisterspiele im Grünwalder nicht verhehlen.
Köllner hat sich über die Nullrunden gegen Saarbrücken und die Zebras wie über jede Pleite "maßlos geärgert", nun fordert er gegen Halle die Wende dahoam.
Sechzig-Trainer Köllner: "Wir brauchen drei Punkte"
"Wir brauchen die drei Punkte", so Köllners Ansage, um den Hattrick an verlorenen HeimSpielen zu vermeiden. Der 50-Jährige warnt aber vor dem Gegner, der mit Terrence Boyd einen Brecher an vorderster Front hat: "Halle ist ein schwer zu bespielender Gegner, der kompakt Fußball spielt. Sie werden einen Plan haben, sich super auf uns vorbereiten - und zweikampfstark spielen."
Rechtsverteidiger Marius Willsch (muskuläre Probleme) wird fehlen, als Ersatzkandidaten nannte Pokerspieler Köllner nahezu die halbe Mannschaft: Semi Belkahia, Leon Klassen, der wiedergenesene Daniel Wein oder Erik Tallig könnten einspringen. Eine Umstellung auf eine Dreierkette kommt ebenfalls infrage.
Elftes Heimspiel für der TSV 1860
Wie es auch kommt: In Sechzigs elftem Heimspiel ohne Fans soll es - wenn auch vor leeren Rängen - endlich wieder etwas zu feiern geben, als Medizin gegen das Fremdeln.
Muss die Motivation eben von innen kommen: Eine mögliche Rückkehr an die Tabellenspitze wäre doch ein vernünftiger Ansatz.