Warten auf die Explosion: Warum Maurizio Jacobaccis TSV 1860 jetzt eine Prise Michael Köllner braucht

München - Ein aus dem US-Sport bekanntes Zitat besagt: "Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Meisterschaften". Und auch Löwen-Kapitän Jesper Verlaat sagte kürzlich beim Podcast "4zu3", man sei "mit der Defensive sehr zufrieden, weil das ist das Fundament. Das steht und darauf kann man aufbauen." Fürwahr, mit gerade einmal elf Gegentoren in elf Spielen stellt 1860 die viertbeste Abwehr der Liga.
Nur was bringt die stabile Basis, wenn der offensive Aufbau wackelt? Denn Fakt ist auch, dass nur die drei Kellerkinder Duisburg (7), Freiburg II (8) und Lübeck (10) sowie Essen (11) bisher weniger Tore geschossen haben als die Löwen. Alleine in den letzten vier Partien gelangen ihnen gerade mal zwei Treffer – eines davon war zudem ein Eigentor.
Nach dem starken Saisonstart hat die Offensive des TSV 1860 nun Ladehemmung
Der Giesinger Offensiv-Motor stottert, auch wenn Joel Zwarts beim 1:1-Remis in Münster am Sonntag seine persönliche Durststrecke von 488 Minuten ohne Treffer beenden konnte. "Wenn du als Stürmer ein paar Spiele kein Tor machst, dann kriegst du natürlich Gedanken", gibt der Niederländer zu. "Es war gut für mich, dass ich wieder ein Tor geschossen habe." Er weiß aber auch: "In der Endzone klappt noch nicht alles, aber wir machen einen Schritt nach vorne." Doch reicht dieser eine Schritt? Braucht es nicht eine blaue Leistungsexplosion im Angriff?
Dass in Maurizio Jacobaccis Löwen durchaus das Potenzial steckt, dem Gegner das ein oder andere Tor einzuschenken, zeigten die ersten beiden Saison-Spiele gegen Mannheim (2:0) und in Duisburg (3:0). Seither klingelte es nur noch siebenmal in neun Partien in des Gegners Kasten. Und ebenso wie der Sechzig-Sturm zum lauen Lüftchen verkam, ebbte auch die positive Grundstimmung ab. Ein Wachmacher, auch für die leidgeprüften und langsam ungeduldig werdenden Fans, wäre langsam dringend nötig.
Unter Michael Köllner stand der TSV 1860 noch für Offensiv-Spektakel
Unter Jacobaccis Vorgänger Michael Köllner hatte es einige dieser mitreißenden Knaller-Spieler gegeben: in der Saison 2020/21 fieselte man Mannheim (5:0) und Halle (6:1), in der Spielzeit 2021/22 Freiburg II und Duisburg (jeweils 6:0) ab. Auch beim Rekordstart vor einem Jahr sorgten torreiche Siege über Meppen (4:0) und Duisburg (4:1) noch für beste Unterhaltung. In 116 Liga-Spielen unter Köllner erzielte 1860 im Schnitt 1,83 Tore pro Spiel.
Von so einem mitreißenden Spektakel kann der Löwen-Kosmos derzeit allerdings nur träumen. Als Jacobacci, der im Gegensatz zu Köllner deutlich mehr auf Sicherheit und weniger auf Attacke setzt, das Team im Februar übernahm, traf es bis Saisonende unter seiner Regie immerhin noch 1,64 Mal pro Partie, in der laufenden Spielzeit nur noch 1,09 Mal.
Vrenezi, Sulejmani und Lakenmacher hängen: Dem TSV 1860 fehlen vorne die Alternativen
Dem Löwen-Spiel fehlen die Balance und irgendwie auch die Offensiv-Struktur. Zwar hat Jacobacci seinem Team den kontrollierten Spielaufbau mit Kurzpässen aus der Abwehr heraus erfolgreich eingeimpft, doch mit welcher daran anschließenden Offensiv-Marschroute die Tore erzwungen werden sollen, ist zu oft nicht klar erkennbar.
Eine Variante, die sich alleine durch die verfügbaren Spielertypen ergibt: lange Bälle und Flanken von den Flügeln (zumeist Julian Guttau und Morris Schröter) auf Zielstürmer Zwarts, der mitunter alle Facetten eines modernen Stürmers mitbringt. Robust, technisch beschlagen, schnell, treffsicher – sein Tor in Münster offenbarte sämtliche dieser Skills in einer Szene. Doch was passiert, wenn dieser Plan einmal nicht aufgeht? Bisweilen zu wenig. Auch, weil Offensivkräfte wie Albion Vrenezi, Valmir Sulejmani oder Fynn Lakenmacher derzeit komplett neben sich stehen.
Immerhin erkämpfen sich die Löwen mittlerweile wieder etwas mehr Chancen. "Wir hätten verdient, gegen Münster zu gewinnen", haderte Jacobacci im Gespräch mit der AZ. "In der ersten Halbzeit hatten beide Mannschaften Situationen, es hätte auch 2:2 oder 3:3 stehen können. Aber wir hatten die klareren Chancen." Dennoch bemängelte er: "Wir haben mit dem Ball nicht klar genug gespielt, das gilt es zu verbessern." Im günstigsten Fall schon beim Heimspiel am kommenden Samstag gegen Freiburg II – da war doch mal was mit einem 6:0.