Vom Leitwolf zum Leidenden
Man muss Florin Lovin in diesen Tagen noch nicht einmal genau beobachten, um zu erkennen, dass es diesem Mann nicht sonderlich gut geht. Besser als an diesem Montag war das wohl noch nie zu erkennen.
München - Während des Vormittagstrainings der Löwen schleppt er sich mühevoll über den Platz, beim Auslaufen trabt er weit entfernt von allen anderen mit hängendem Kopf vor sich hin. Als ihm später ein Reporter eine Frage zu seiner aktuellen Lage stellen möchte, winkt er sofort ab, sagt: „Ich möchte nicht mehr sprechen.” Dann läuft er, dessen Vertrag noch bis 2012 läuft, fluchend davon. Am Mittag kommt es noch dicker für den Rumänen: In einem Trainingsspiel wird er umgetreten, bleibt lange auf dem Platz liegen und humpelt dann mit leidendem Gesichtsausdruck in die Kabine. Für Dienstag ist eine Kernspinthomographie angesetzt.
Es läuft nicht gut für Lovin, dessen Saison ein ständiges Auf und Ab war – und nun im endgültigen Tief zu versinken droht. „Natürlich ist es für Florin keine einfache Situation. Aber eigentlich ist über ihn alles gesagt”, sagt Trainer Reiner Maurer. Eigentlich sollte der 29-Jährige das junge Löwen-Team zusammenhalten, doch Lovin hat es in der ganzen Saison nicht einmal geschafft, drei Spiele hintereinander durchzuspielen. „Er hat sich ja schon ein paar Mal wieder zurückgekämpft, nachdem es nicht so gut für ihn lief. Trotzdem hat er die Vorgaben an ihn nie so umgesetzt wie gewünscht”, erklärt Maurer: „Er hat es nie geschafft, gut nach hinten zu arbeiten und Torgefahr zu entwickeln.”
Je mehr Maurer so über Lovin spricht, desto mehr ereilt einen das Gefühl, dass seine Geduld mit dem Mittelfeldprofi allmählich erschöpft ist. Seit seinem Amtsantritt im vergangenen Sommer hatte Maurer den Rumänen, vor seinem Wechsel zu 1860 immerhin regelmäßiger Champions-League-Spieler, stets gefördert und ihm immer wieder Vertrauen ausgesprochen. So richtig zu überzeugen, wusste Lovin trotzdem nie. Schon in der Hinrunde, als ihm der aufstrebende Moritz Leitner für ein paar Spieltage den Stammplatz weggeschnappt hatte, sagte Lovin im AZ-Interview: „Es ist schwierig und sehr frustrierend. Ich habe so etwas noch nie erlebt und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll." Und schon damals sprach er bereits an, was ihm nun, nachdem er zwei Mal nacheinander nicht mal mehr eingewechselt wurde, mehr denn je droht: „Wir müssen uns dringend über meine Zukunft unterhalten, wenn ich gar nicht mehr spielen sollte. Denn ich kann es mir nicht leisten, auf der Bank zu sitzen. Das ist nicht mein Anspruch."
Für Sportdirektor Miki Stevic ist Lovins Situation, die er „als ganz schwere Phase” bezeichnet, auch eine Folge der enorm hohen Erwartungen an den Rumänen, der in der vergangenen Saison ein halbes Jahr wegen eines Kreuzbandrisses ausgefallen war. „Er wurde hier schon nach ein paar guten Spielen über den grünen Klee gelobt und als Leitwolf gesehen. Dem wollte er gerecht werden. Aber ich habe ihn noch lange nicht abgeschrieben. Er arbeitet trotz der Rückschläge vorbildlich.”
Freilich wissen auch Stevic und Maurer, dass Lovin einst bei Steaua Bukarest in der Champions League zum Einsatz kam, doch vor allem für den Löwen-Trainer ist dieses vermeintliche Qualitätsmerkmal schon lange kein Argument mehr. Vor allem, weil er in Kai Bülow, der beim Sieg bei Union Berlin erstmals von der Abwehr ins Mittelfeld rutschte, einen Mann gefunden zu haben scheint, der die Anforderungen besser erfüllt als Lovin. Und weil Maurer auch auf Dominik Stahl, der sich zum Rückrundenauftakt einen Stammplatz erkämpft hatte, nicht verzichten will, bleibt für Lovin weiterhin nur der Platz auf der Bank.
„Florin muss sich wieder herankämpfen. Kai wird auch am Freitag gegen Oberhausen wieder im Mittelfeld beginnen", kündigt Maurer an und sagt sogar: „Kai hat ein gutes Gespür für die Position, er hat es geschafft, für Torgefahr zu sorgen. Ich kann mir vorstellen, dass dort seine Zukunft liegt. Er kann da auf Dauer ein Führungsspieler werden." Worte, von denen Lovin nur träumen darf.