"Verstehe die Welt nicht mehr": Wie der TSV 1860 Rekordlöwe Harald Cerny auf die Palme brachte

München - Er ist eine echte Löwen-Legende und Rekordspieler der Sechzger in der Bundesliga: Harald Cerny. 238 Mal stand er für den TSV 1860 in der höchsten deutschen Fußballliga auf dem Rasen, beendete 2007 seine aktive Karriere im weiß-blauen Trikot.
Seitdem ist Harald Cerny als Jugendtrainer und Scout unterwegs, seit 2020 sichtet er Spieler für den 1. FC Köln. Im Grünwalder Stadion ist der Österreicher weiter ein gern gesehener Gast. Ob er sich auch vorstellen kann, wieder für den TSV 1860 tätig zu sein, verrät Harald Cerny im AZ-Interview.
AZ: Wie bewerten Sie Sechzigs bisherigen Saisonverlauf? Sie wissen ja selbst, dass es im weiß-blauen Löwen-Kosmos nicht viele Graustufen gibt.
HARALD CERNY: Es fehlt bisher die Konstanz: Sie haben gut angefangen, dann öfter verloren und sich zuletzt wieder stabilisiert. Aber es fehlt noch die Sicherheit, die Überzeugung im Spiel. Gegen Dresden hat mir Niklas Tarnat am besten gefallen. Morris Schröter auch ganz gut, einer, der mal ins Eins-gegen-Eins-Duell geht. Sie haben mit Joel Zwarts einen gefährlichen Stoßstürmer vorne drin, der aber kaum Bälle bekommt. Eine Handschrift ist noch nicht so richtig erkennbar, finde ich. Die Mannschaft muss noch besser zusammenwachsen.
Neuer Sportdirektor beim TSV 1860: Horst Heldt wäre für Harald Cerny die "Ideallösung"
Und wenn sie denn weiter zusammenwachsen, die Löwen – was ist drin in der Spielzeit 2023/24?
Ich denke, man darf nicht zu viel erwarten. Es gab einen großen Umbruch, es ist viel Unruhe drin, der Trainer ist noch relativ neu, es muss sich noch vieles finden. Wenn sie schnell ihren Spielstil finden und Konstanz reinkriegen, dann kann es schon eine gute Saison werden. Aber man sollte nicht erwarten, dass sie ganz oben mitspielen. Ich glaube: Das Aufstiegsrennen ist nicht drin. Sechzig müsste mal etwas langfristiger planen: etwas aufbauen, auch mit einem neuen Sportdirektor. Dann kann es vielleicht in die richtige Richtung gehen.
Stichwort Sportdirektor: Seit dem Rückzug von Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel ist diese Position vakant. Ihr damaliger Mitspieler Horst Heldt stand zur Debatte, hat sich nach unseren Informationen aber wieder zurückgezogen. Was sagen Sie dazu?
Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ein Verein wie Sechzig müsste sich alle zehn Finger lecken, wenn man einen Mann wie Horst Heldt bekommen kann! Ich kenne ihn schon lange und weiß daher recht gut, welche Qualitäten der Horst hat. Er wäre als Ex-Löwe aus meiner Sicht die Ideallösung für Sechzig, er könnte da etwas bewegen. Er hat schon bei großen Traditionsvereinen gearbeitet. Sechzig wäre es absolut zu wünschen, so ein Kaliber ins Boot zu holen. Klar ist, dass er einer für den Posten des Sportdirektors ist, wie er es ja bei mehreren Bundesligavereinen schon erfolgreich unter Beweis gestellt hat.

"Spannende Neuigkeiten": Kehrt Harald Cerny zum TSV 1860 zurück?
Die Gremien der Sechzger konnten sich bisher weder auf einen Sport-Geschäftsführer, noch auf einen untergeordneten Sportlichen Leiter einigen, was neue Machtkämpfe entfacht hat: Zuletzt standen Trainer Maurizio Jacobacci und Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer, die unter anderen Sechzigs Transferpolitik übernommen haben, in der Kritik.
Was die Machtkämpfe angeht, kann ich nur sagen: Ich weiß nicht, wie es bei Sechzig intern aussieht und möchte mich daher nur als Fan äußern, der das nur von außen mitbekommt. Bei Sechzig herrscht immer eine gewisse Unruhe, genauso wie bei anderen Traditionsvereinen. Das muss man auch aushalten. Man darf sich als Vereinsverantwortlicher nicht von einer unruhigen Phase anstecken lassen. Das würde ich mir schon wünschen bei den Löwen: dass die Leute die Ruhe behalten. So ein Aufstieg wäre ja schon schwer genug, wenn alle an einem Strick ziehen. Kein Wunder, dass es bei Sechzig so nicht funktioniert. Aber da erzähle ich Ihnen ja nichts Neues. Es ist einfach schade, denn das Potenzial wäre riesig.
Sie selbst haben lange Jahre als Chefscout gearbeitet, auch zusammen mit Heldt bei Hannover 96 oder dem 1. FC Köln – wäre diese Position für Sie bei den Blauen vorstellbar?
Bei mir verhält es sich ähnlich wie bei Horst Heldt: Wir hatten damals ab Mitte der neunziger Jahre unter Werner Lorant als Trainer großen Erfolg mit Sechzig, es war für uns eine sehr schöne Zeit. Natürlich trägt man die Löwen da schon noch im Herzen, da hängst du emotional an diesem Verein.
Heißt das, Sechzig hätte Horst Heldt und Harald Cerny möglicherweise sogar im Doppelpack haben können?
Ich war bei seinen Gesprächen nicht dabei und weiß nicht, wie ernst es schon war. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass wir zusammenarbeiten, das würde sicher wieder sehr gut funktionieren mit uns beiden. Aber da ist aktuell nichts besprochen. Ich persönlich habe tatsächlich vor, mich beruflich neu auszurichten, aber es gab bisher nichts Spruchreifes mit Sechzig. Es wird auch vermutlich in eine andere Richtung gehen, im Fußballbereich, aber nicht mehr auf Vereinsebene. Da gibt's vielleicht in den nächsten Wochen spannende Neuigkeiten (lacht).