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Vergiftete Atmosphäre beim TSV 1860: Jetzt wird es selbst einem der treuesten Löwen zu viel

Nach AZ-Informationen haben die Kinder von Vize-Präsident Hans Sitzberger den Sponsoring-Vertrag mit dem TSV 1860 gekündigt. Eine Hintertür bleibt jedoch offen.
von  Florian Weiß, Krischan Kaufmann
Vize-Präsident Heinz Schmidt, Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer und Vize-Präsident Hans Sitzberger (v.l.).
Vize-Präsident Heinz Schmidt, Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer und Vize-Präsident Hans Sitzberger (v.l.). © imago/Ulrich Wagner

München - Es herbstelt in Giesing. Die Tage werden trüber, die Blätter fallen von den Bäumen und in absehbarer Zeit wird auch wieder ein bisserl Schneefall einsetzen. Nicht selten bedeutete die mehr oder weniger weiße Pracht in den vergangenen Jahren den großen Auftritt von Vizepräsident Hans Sitzberger, der mit seiner Firma für Reinigungsfahrzeuge ("Mia kehr'n zam") die Trainingsplätze oder auch das Grünwalder Stadion inklusive Ränge bespielbar und begehbar machte. Kostenlos, versteht sich.

Im Sommer 2023 verlängerte Sitzberger seinen Sponsoring-Vertrag, ging somit in sein 17. Löwen-Jahr. Zusätzlich prangt das Logo seiner Firma seither auf den Trikots der 1860-Amateurfußballer. Dabei hatte er wegen Unstimmigkeiten im Verein im Frühjahr noch den Rückzug erwogen, sich aber laut eigener Aussage "wieder einfangen lassen" – jetzt aber scheint das Maß endgültig voll.

Vize-Präsident Hans Sitzberger könnte jetzt für ein Beben im Löwen-Kosmos sorgen.
Vize-Präsident Hans Sitzberger könnte jetzt für ein Beben im Löwen-Kosmos sorgen. © imago/Ulrich Wagner

Hans Sitzberger beim TSV 1860: Die gute Seele des Vereins

Clarissa Schellong und Christian Sitzberger, die die Firma ihres Vaters als Geschäftsführer leiten, haben nach exklusiven Informationen der Abendzeitung den Sponsoring-Vertrag mit dem TSV 1860 gekündigt – sowohl für die KGaA als auch für den Verein. Rund 1,5 Millionen Euro haben die Sitzbergers in den Jahren ihrer Sponsorentätigkeit bereits in Sechzig investiert.

Das Sitzberger-Beben könnte nun den Sechzger-Kosmos bis in seine entferntesten Umlaufbahnen maximal erschüttern. Inwieweit sein Amt als Vize-Präsident mit der Kündigung verknüpft ist, wird sich zeigen. Aber Sechzig ohne die Sitzbergers ist eigentlich nicht vorstellbar. Der 70-Jährige ist so etwas wie die gute Seele der Löwen, die anpackt, wo Not am Mann ist und stets versuchte, zwischen den zerstrittenen Gesellschaftern zu vermitteln, ohne sich selbst dabei für allzu wichtig zu nehmen – eine an der Grünwalder Straße 114 bekanntermaßen eher seltene Gabe.

Verhältnis innerhalb des Präsidiums gilt als belastet

Der Grund für diesen radikalen Schritt der Sitzbergers: Die vergiftete Atmosphäre unter den Gesellschaftern, aber auch innerhalb des e.V.-Präsidiums. Das Verhältnis zwischen Präsident Robert Reisinger und Sitzberger gilt spätestens seit dem Theater um die Nachfolge von Sportchef Günter Gorenzel als belastet. Reisingers Alleingang mit Kandidat Horst Heldt hatte tiefe Gräben innerhalb des Präsidiums aufgerissen.

Im September hatte der Verwaltungsrat des e.V. dann eine neue Aufgabenverteilung im Präsidium beschlossen, durch die Reisinger für die KGaA, e.V.-Schatzmeister Heinz Schmidt für die Finanzen und Sitzberger nur noch für die restlichen Abteilungen zuständig ist. Eine Isolierung Sitzbergers, der innerhalb des Vereins, aber ebenso bei der Investorenseite (HAM) als Vertrauensperson gilt.

Robert Reisinger (l.), Heinz Schmidt (M.) und Hans Sitzberger: Die drei Hauptprotagonisten in der Posse des TSV-Präsidiums.
Robert Reisinger (l.), Heinz Schmidt (M.) und Hans Sitzberger: Die drei Hauptprotagonisten in der Posse des TSV-Präsidiums. © imago/Ulrich Wagner

Auch Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer schätzt die konstruktive Art des Unternehmers, der stets um Kommunikation, um Kompromisse, um Verständigung zwischen den Lagern bemüht war. Der AZ hatte er unlängst erst gesagt: "Es geht immer nur um die Personen und deren Befindlichkeiten und nie um die eigentliche Sache, nämlich um Sechzig. Wir sollten uns einigen und wieder zusammenkommen."

Das würde sich auch Maurizio Jacobacci so dringend wünschen: "Kontinuität in der täglichen Arbeit und viel mehr Ruhe", so der Appell des Sechzig-Trainers vor dem Spiel bei Viktoria Köln (Samstag, 14 Uhr, Magenta Sport und im AZ-Liveticker). "Die ist im Moment nicht gegeben."

Sitzbergers Kinder stellen Bedingungen für Rücknahme der Kündigung

Stattdessen geht es mehr denn je um Macht und Egos, nicht um den Sport. Ein Umfeld, dem die Kinder Sitzbergers ihren Vater nicht mehr aussetzen wollen. Dennoch lassen sie eine Hintertür für die Rücknahme der Kündigung und eine Verlängerung des Sponsorenvertrags über die aktuelle Saison hinaus offen – unter zwei Bedingungen: Die Vertragsverlängerung von Pfeifer, dessen wirtschaftliches Wirken und dessen Außendarstellung die Sitzbergers als überaus positiv für die Löwen betrachten.

Und eine Atmosphäre innerhalb des Vereins, die wenn schon nicht von Herzlichkeit doch zumindest von Fairness und Professionalität geprägt ist. Gerade die zweite Forderung scheint jedoch in der aktuellen völlig verfahrenen Situation kaum zu erfüllen zu sein...

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