Exklusiv

Verena Dietl über das Grünwalder Stadion: "Sechzig kann selbst ausbauen"

Die Pläne zur Sanierung des Stadions an der Grünwalder Straße drohen zur Hängepartie zu werden. In der AZ erklärt Bürgermeisterin Verena Dietl, woran es hakt - und macht einen überraschenden Vorschlag an die Löwen.
von  Felix Müller
Bald unterm Dach? Fans in der historischen Westkurve am Samstag beim Sieg gegen Duisburg.
Bald unterm Dach? Fans in der historischen Westkurve am Samstag beim Sieg gegen Duisburg. © imago images/Sven Simon

München - VIP-Logen, eine komplette Überdachung, deutlich mehr Sitzplätze: Das städtische Stadion an der Grünwalder Straße soll zeitgemäß fit gemacht werden für den TSV 1860. Das hat der Stadtrat schon in der letzten Legislaturperiode beschlossen. Eigentlich. Denn der konkrete Beschluss zögert sich seit Monaten immer weiter hinaus. Darüber und über Auswege aus dem Dilemma spricht hier Sport-Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD).

AZ: Frau Dietl, würden Sie einen Mietvertrag unterschreiben für eine Wohnung, von der Sie weder wissen, ob die Küche drin ist, noch was Sie zahlen werden?
VERENA DIETL: Nein, als private Mieterin möchte ich natürlich wissen, was dabei ist.

Aber?
Aber wenn Sie aufs Grünwalder Stadion anspielen, muss sich der Mieter schon verpflichten, das auch zu nutzen, bevor wir uns für eine große Investition entscheiden können.

Verena Dietl beim Interview in ihrem Büro mit AZ- Lokalchef Felix Müller.
Verena Dietl beim Interview in ihrem Büro mit AZ- Lokalchef Felix Müller. © Daniel von Loeper

Ist die Situation nicht trotzdem so, dass nichts vorangeht, weil die Stadt die Löwen zu einer Zusage zwingen will, deren Konsequenzen Sechzig aber gar nicht einschätzen kann?
Ich habe Sechzig dieser Tage noch mal angeschrieben, sie sollen sich mit unseren Fachleuten zusammensetzen. Es ist doch so: Die Stadt hat angeboten, das Grünwalder Stadion auszubauen, wir wollen überdachen, beim Lärmschutz etwas für die Anwohner tun. Und jetzt ist die Frage, ob wir richtig ausbauen.

"Klar, dass nur Sechzig den Zuschauerbedarf für einen Ausbau hat"

Es gibt eine Grundsatzentscheidung des Stadtrats für den Ausbau. Sehen Sie diese nicht mehr als gültig an?
Ich bin immer davon ausgegangen, dass bei Sechzig ein hohes Interesse besteht an diesem Ausbau. Aber natürlich brauchen wir dafür eine längerfristige Zusage.

Auch die Bayern-Amateure und Türkgücü nutzen das Stadion.
Es war immer klar, dass nur Sechzig den Zuschauerbedarf für einen Ausbau hat.

OB Dieter Reiter hat geschimpft, es sei "dreist", dass die Löwen der Stadt jetzt den Schwarzen Peter zuschieben. Teilen Sie diese Sichtweise?
Ich würde mir schon auch wünschen, dass Sechzig sich mehr beteiligt. Wir haben mehrmals nachgefragt nach Daten, die wir brauchen, um seriös eine Miete nennen zu können. Wir wollen alle, dass diese in einer Beschlussvorlage im Stadtrat schon genannt wird und die Pläne dann weiter verfolgt werden können.

Ich fasse Ihre These zusammen: An der aktuellen Hängepartie ist Sechzig schuld.
Aktuell brauchen wir noch entscheidende Informationen von Sechzig, um seriös sagen zu können, wie hoch die Miete liegt.

"Man kann immer nur fordern - oder man hilft auch mal mit"

1860-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer hat in der Stadionzeitung am Wochenende angekündigt, OB Dieter Reiter persönlich einladen zu wollen, "damit wir uns einmal persönlich kennenlernen können und die Basis für einen persönlichen Dialog gelegt ist". Sie waren lange im Löwen-Verwaltungsrat, sind als Sport-Bürgermeisterin fürs Thema zuständig: Warum gibt es denn bisher keinen "partnerschaftlichen Dialog"?
Ich hatte immer viele gute Gespräche mit dem Verein. Als zuständige Bürgermeisterin habe ich den Austausch gerne für die Stadtspitze übernommen und der OB ist über unsere Gespräche informiert. Meiner Ansicht nach besteht ein partnerschaftlicher Dialog auf Augenhöhe.

Aus dem Löwen-Umfeld heißt es, man wisse nicht mal, welche Werbemöglichkeiten es künftig geben soll. So könne man nicht kalkulieren. Kann die Stadt irgendwo ein Stück entgegenkommen?
Es gibt immer zwei Möglichkeiten: einfach nur zu fordern - oder auch mitzuhelfen. Wenn Sechzig der Meinung ist, alles besser zu können als die Stadt, dann kann sich der Verein auch überlegen, ob er es mit irgendeinem Konstrukt selbst macht. Wir als Stadt sind dafür offen. Dann könnten sie das Projekt ganz in ihrer Hand behalten. Das haben ich Sechzig auch schon angeboten. Es wäre eine Variante, die denkbar ist.

"In der Politik muss man auch mal öfter miteinander sprechen": Verena Dietl dieser Tage auf dem Rathaus-Turm hoch über der Innenstadt.
"In der Politik muss man auch mal öfter miteinander sprechen": Verena Dietl dieser Tage auf dem Rathaus-Turm hoch über der Innenstadt. © Daniel von Loeper

Sechzig würde selbst bauen und nicht die Stadt?
Genau. Man könnte es zum Beispiel über einen Erbpachtvertrag regeln. Das könnte ich mir vorstellen. Wenn die Stadt baut, gibt es viele Rahmenbedingungen, an die wir uns immer halten müssen.

Stehen Sie persönlich weiter für die große Ausbaulösung, für die sich der Stadtrat grundsätzlich schon ausgesprochen hat?
Natürlich, wir haben ja auch eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Aber wir brauchen den Ausbau eben nur für Sechzig. Wenn die Löwen glaubhaft machen, dass sie den Ausbau brauchen, gehe ich davon aus, dass wir ihn im Rathaus beschließen.

"Sie geben uns kein eindeutiges Signal"

Steht es nicht außer Zweifel, dass die Löwen grundsätzlich wollen?
Nein, sie geben uns kein eindeutiges Signal. Und eine Sanierung für einen zweistelligen Millionenbetrag und aus Steuergeldern finanziert, da brauchen wir eine Zusage, dass Sechzig langfristig mit dem Standort plant.

In anderen Städten haben städtische GmbHs große Stadionprojekte gestemmt. Wäre das nicht auch eine effizientere Variante als das Klein-Klein der Stadtverwaltung, in dem alle mitreden, aber keiner verantwortlich sein will?
Ich würde lieber die Option zur Verfügung stellen, dass Sechzig es selber macht.

Würde das bedeuten, dass man mit allen Planungen wieder bei Null beginnen muss?
Nein. Die Planungen sind ja da. Wenn Sechzig sich das vorstellen kann, kann man da anknüpfen.

"Das Rathaus steht zu seinen Zusagen für den Ausbau"

Sie sagen: Die Stadt steht zu Ihren Zusagen? Wäre es nicht ehrlicher zu sagen: Coronakrise, Haushaltskrise - wir können das aktuell nicht stemmen und reden in zwei, drei Jahren?
Wir stehen zu unseren Zusagen. Ich habe auch aus dem Stadtrat nichts anderes gehört.

Einst war von 30 Millionen Projektkosten die Rede, inzwischen raunt es von 70 Millionen. Wovon gehen Sie aus?
Das kommt darauf an, welche Sanierungsvariante gewählt wird. Mit einem Ausbau auf 18.105 Plätze wird es natürlich teurer, als wenn wir nur den Bestand sanieren. Genaue Zahlen für verschiedene Sanierungsvarianten erhalten wir, wenn das Thema in den Stadtrat kommt. Und das passiert hoffentlich sehr bald.

Wenn aus Löwen-Sicht offenbar die Miete ein großes Problem ist: Hat die Stadt da Spielraum - etwa, indem man sich die Investition einfach auf ein paar Jahre mehr verteilt zurückzahlen lässt?
Genaues konnte das Bewertungsamt uns noch nicht sagen, weil eben Daten von Sechzig fehlen. Welchen Spielraum es geben könnte, muss man sich dann anschauen und gemeinsam mit den Vereinen und den Stadträtinnen und Stadträten eine gute Lösung suchen. Wichtig ist jetzt aber erstmal, dass wir nicht mehr schätzen müssen, sondern eine realistische Basis haben.

"Man darf nicht ungeduldig werden"

Sie haben das Stadion mal Ihren liebsten Ort in München genannt, waren selbst lange im Verwaltungsrat bei 1860, niemand bestreitet, dass Sie eine echte Herzens-Sechzgerin sind. Wie sehr schmerzt, dass das Projekt zu scheitern droht?
Ich bin aus der Politik gewohnt, dass man auch mal öfter miteinander sprechen muss. Man darf nicht ungeduldig werden. Ich bin 2008 in den Stadtrat gewählt worden mit dem Anspruch, das Grünwalder Stadion zu retten, das haben wir damals dann in einem halben Jahr geschafft. Wir haben immer gute Lösungen gefunden und ich glaube, dass wir wieder eine finden.

Das Rathaus tut sich insgesamt immer noch schwer, die Bedeutung dieses Ortes anzuerkennen.
Ich glaube, dass viele im Stadtrat die Faszination des Sechzgerstadions anerkennen und das Projekt mittragen. Fußball- und Fankultur gehören zur Geschichte dieser Stadt und sie gehören mitten in die Stadt.

Eine Frage an den Löwen-Fan Verena Dietl: Würden Sie aktuell noch Ihre Dauerkarte verwetten, dass der große Umbau kommt? Oder: zu wertvoll, zu riskant?
Ich bin schon noch zuversichtlich. Trotz allem.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.