„Und wann spielt Messi in Giesing?“
München - Es waren Sätze, die Löwen-Fans so geballt noch nie gehört hatten: Der FC Bayern solle nicht Rivale, sondern Vorbild sein, der TSV 1860 müsse eine Weltmarke werden und – man wird ja noch träumen dürfen – in zehn Jahren auf dem Niveau des FC Barcelona spielen.
Hasan Ismaik hat für Erstaunen gesorgt bei seiner Präsentation als Löwenretter. Der jordanische Investor, ohne dessen Millionen der TSV 1860 längst Insolvenz hätte anmelden müssen, verbreitete bei der offiziellen Vorstellung als Anteilseigner in der Allianz Arena eine Stimmung, wie man sie seit Jahren nicht mehr erlebt hat bei den Löwen: von ungläubigem Staunen über (endlich mal) angemessene Zuversicht bis zur schieren Euphorie – aber natürlich gab es auch Verwunderung bei den Zuhören in der Eventbox 3 und in den Internetforen gibt es nicht wenige Löwen-Fans, die den Vergleich mit Bayern und Barcelona skeptisch sehen.
Am Abend war es ihm wohl selbst schon etwas peinlich. „Zumindest die Aussage mit Barcelona hat er bedauert“, berichtet 1860-Präsident Dieter Schneider der AZ. Bei einem Abendessen mit Präsidium und Geschäftsführung, sportlicher Leitung und Aufsichtsrat habe auch Ismaik selbst gestaunt: „Er wollte gar nicht so euphorisch rüberkommen.“ So hat sich also auch der Retter selbst anstecken lassen von der Euphorie, die an der Grünwalder Straße herrscht. Kaum dass sie schuldenfrei sind und die Zukunft gesichert ist, darf wieder geträumt werden bei 1860.
Doch Ängste bleiben: Was, wenn der 34-jährige Araber, der sein Geld im Immobiliengeschäft verdient, einmal die Lust an seinem Spielzeug verlieren sollte? Oder wenn er doch nach der ganzen Macht greift? Die AZ hat sich umgehört und Reaktionen gesammelt auf Hasan Ismaiks ersten Auftritt: bei Funktionären, Fans und im Umfeld der Löwen.
Dieter Schneider, 1860-Präsident: „Ich habe Hasan Ismaik als verlässlichen und sehr bescheidenen Partner schätzen gelernt. Insofern kann ich die Fans, die sich über seinen Barcelona-Spruch wundern, beruhigen: Es war auf keinen Fall seine Absicht, großkotzig rüberzukommen, das passt weder zu uns Löwen noch zu ihm persönlich.
Er ist ein eher zurückhaltender Mensch, der mit uns gemeinsam, also partnerschaftlich arbeitet. Ich habe mich Freude, wie intensiv er sich bei unserem Essen am Abend mit Trainer Maurer und Sportchef Hinterberger ausgetauscht hat – sie haben sich prima verstanden und fachlich ausgetauscht. Er hat sich auch unser Jugendkonzept erklären lassen und war sehr angetan.
Und er war Freude überrascht, wie gut unsere Mitarbeiter Englisch sprechen. Trotzdem will er jetzt Deutsch lernen – damit man ihn künftig besser versteht.“
Fredi Heiß, Meisterlöwe von 1966: „Ich habe das sehr gerne gehört, was Ismaik da erzählt hat. Dass er sich deutlich zum Aufstieg bekennt und sogar vom internationalen Geschäft spricht, freut mich sehr – das ist genau der richtige Anspruch für einen Traditionsverein wie 1860.
Die Löwen müssen wieder nach vorne, das geht nur mit einem starken Partner. Ärgerlich ist nur, dass es so spät kommt, das hätte viel früher passieren müssen: nämlich als uns das Stadion noch zur Hälfte gehört hat und der Verein viel mehr wert war als heute. Aber damals waren die Gremien und das Präsidium noch nicht bereit dazu.
Gut, dass Herr Ismaik jetzt da ist. Ohne einen Investoren wird es im Fußball nicht mehr gehen. Ich hoffe, dass das auch unsere Fans verstehen. Von uns Meisterlöwen bekommt er jede Unterstützung.“
Otto Steiner, Aufsichtsratschef: „Auf mich macht Ismaik einen sehr soliden Eindruck. Ich habe ihn beim Abendessen kennengelernt, er ist sympathisch, hat eine große Fußballleidenschaft und kennt sich im internationalen Fußball bestens aus.
Dass ein so erfolgreicher Geschäftsmann mit viel positiver Energie dann Träume und Visionen entwickelt, ist doch verständlich. Dass diese aber derzeit noch nicht zum Ist-Zustand bei 1860 passen, ist auch klar.
Ich finde übrigens, dass man durchaus auch als Löwe sagen darf, dass der FC Bayern ein Vorbild ist – was den Erfolg und das Wirtschaftliche angeht. Das darf doch kein Tabu sein.
Ansonsten bin ich zuversichtlich, dass Ismaik noch in die Seele der Fans hereinfinden und spüren wird, dass 1860 immer eine Volksmarke bleiben wird, die nah an den Fans ist und an ihrer Heimat. Dafür stehen ja das Präsidium mit Dieter Schneider und Franz Maget ebenso wie wir im Aufsichtsrat. Wenn die Fans Ängste haben, werden wir diese im Dialog mit ihnen und Ismaik abbauen.“
Udo Kürbs, Sport-Wirtschaftsexperte, Chefredakteur von „Sponsor News“: „Bayern, Barcelona, Weltmarke – wahrscheinlich muss man als neuer Investor, wenn man in eine fremde Welt kommt, so auf den Putz hauen. Man hat sich ja nur noch gefragt, wann Messi in Giesing spielt.
Seltsamer fand ich, dass er nichts über sein Unternehmen preisgeben wollte. Wie jemand selbst in der Boom-Region Arabische Emirate in so jungen Jahren schon ausgesorgt haben will, ohne dass sein Imperium bekannt ist, finde ich eigenartig. Ob das allein mit Immobiliengeschäften geht?
Ich hätte mir gewünscht, zu erfahren, woher sein Geld stammt, aber das hat er abgeblockt. Normalerweise erzählen erfolgreiche Geschäftsleute gerne über ihre Unternehmen und ihren Hintergrund. Er nicht. Warum nicht?“
Otti Fischer, Kabarettist und Löwenfan: „Wenn man sich allein mal den Städtebau in manchen dieser arabischen Ländern anschaut, gilt da das selbe wie bei den sportlichen Engagements: ,Ich will es aber haben!’ Das sind trotzige, junge Burschen, die auch in der aussichtslosesten Situationen sagen: ,Ich will aber!’ Das Ich-will-aber haben wir jetzt schon – und das absolut Aussichtslose wird er erst später erkennen.
Und der FC Bayern soll ein Vorbild für Sechzig sein? Kann er schon: Zum Beispiel, dass man keine roten Trikots trägt, wie man sich in der Kommunikation nach außen nicht verhält und wie man nach einer 1:0-Führung nach 20 Minuten nicht spielt.
Immerhin ist von den Fans abgelehnt worden, dass statt des Löwens nun ein Kamel ins Emblem kommt. Ich glaube, dass der Araber sich am bayerischen Löwen die Zähne ausbeißen wird. Die Sechziger bleiben halt die Sechziger. Und wenn das Geld von diesem Hasan Hoeneß weg ist, steht Sechzig genauso da wie vorher – nur komplett ohne Geld.“
Andreas Kern, stellvertretender Vorsitzender des Fan-Dachverbands ARGE: „Als er gesagt hat, dass wir in zehn Jahren auf einer Stufe mit Barcelona und Bayern stehen sollen, hab ich schon grinsen müssen – das wird er ja wohl nicht ernst meinen. Wir wären schon zufrieden, wenn Ismaik den TSV 1860 wirklich wieder in die Bundesliga zurückführt, das wird schwierig genug.
Ich weiß, dass einige Fans skeptisch sind, aber man muss doch feststellen: Ohne den Investor würden wir Löwen gar nicht mehr leben. Es wird jetzt schwierig werden, die alten Werte von 1860 zu bewahren.
Wir wollen keinen Schicki-Micki-Verein. Wenn es einer schafft, auch in der neuen Konstellation auf uns Sechzger zu achten, dann Präsident Schneider. Er kann Ismaik klarmachen, was wichtig ist für uns Fans.“
Roman Beer, Vorsitzender des Vereins „Freunde des Sechz’ger Stadions“: „Ismaik will die schlafenden Löwen wecken – für mich bleibt abzuwarten, wie das gelebt wird. Dass er gleich von Barcelona träumt, erstaunt mich. Da werden Erwartungen geschürt, die kaum zu erfüllen sind.
Für mich bleibt vieles nebulös; ich frage mich, was ihn an- treibt. Er sagt, man könne im Profifußball kein Geld verdienen, gleichzeitig möchte er aber die Vermarktung übernehmen. Ismaik muss erst noch ein Gefühl für 1860 bekommen und dazu gehört auch die Stadionfrage.
Wenn der Verein schuldenfrei ist und der Aufstieg wirklich geschafft wird, wären dafür die beiden Voraussetzungen erfüllt, von denen die Vereinsführung immer gesprochen hat. Ich würde ihm unser Stadionmodell gerne einmal präsentieren.“