Und jetzt ein Krisengipfel
COTTBUS - Lienens Löwen verlieren auch in Cottbus. Sportdirektor Stevic wehrt sich gegen eine Trainerdiskussion, muss sich jetzt aber den Fragen des Aufsichtsrates stellen
Ewald Lienen ist es ja selbst peinlich, wenn er auf seine erbärmliche Bilanz bei 1860 angesprochen wird. Das 0:1 am Sonntag in Cottbus, bereits die siebte Saisonpleite, verschärft die Löwen-Krise und verschlechtert Lienens Position. Sechzig belegt Platz 15 in der Zweiten Liga. Lienen (55) martialisch: "Jetzt geht's ums Überleben - für alle." Auch für den Coach.
Lienen wirkt inzwischen ratlos. Der Ex-Profi hat in der Vergangenheit schon viel versucht, um die Löwen wieder flott zu machen. Zuletzt hat er seine Spieler härter rangenommen, zweimal pro Tag trainieren lassen. Er hat Sascha Rösler sowie Mathieu Beda ausgemustert und mit dem 21-jährigen Dominik Stahl, der in Cottbus ein passables Zweitliga-Debüt feierte, einen weiteren Amateurspieler aus der Vierten Liga in die Profi-Mannschaft befördert. Geholfen haben alle Massnahmen des Trainers: nichts.
1860 verliert weiter Spiel um Spiel, auch wenn das 0:1 in der Lausitz eines der besseren Sorte war. Statt in die Bundesliga zu streben, taumelt 1860 eher der 3. Liga entgegen. Lienens Bilanz (0,86 Punkte pro Spiel) ist enttäuschend bis desaströs. Doch an einen Trainerwechsel denkt in der Führungsetage des TSV 1860 offenbar niemand. "Die Trainerfrage stellt sich bei uns nicht", wehrt Miki Stevic gegenüber der AZ Fragen nach dem Erfolgloscoach ab. Weil sich der Verein einen Rauswurf nicht leisten kann? Schliesslich muss der TSV 1860 noch bis zum 30. Juni 2010 auch den beurlaubten Ex-Trainer Uwe Wolf bezahlen. Und Kandidaten für eine Lienen-Nachfolge gibt's auch nicht im Übermass. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus soll angeblich Interesse am Job bei 1860 haben. Aber er gilt den Fans als schwer bis nicht vermittelbar.
Aber wie kommt 1860 aktuell aus der Krise - wenn mit Lienen weitergemacht werden soll? "Ich kann jetzt auch draufhauen", sagt Stevic, "aber das bringt nix. Wir haben jetzt zwei Wochen Länderspielpause und dann ein schweres Spiel in Bielefeld." Bis dahin soll möglichst konzentriert gearbeitet werden. Möglicherweise wird's mit der erhofften Ruhe in dieser Woche bald vorbei sein. Nach AZ-Informationen ist ein Treffen geplant - zwischen Geschäftsführer Manfred Stoffers, Sportdirektor Stevic und Cheftrainer Lienen auf der einen und dem Aufsichtsrat der KGaA um den Vorsitzenden Christoph Öfele auf der anderen Seite.
Stevic: "Wir wollen uns austauschen, die Aufsichtsräte machen sich auch Sorgen. Wir sind Tabellen-15., die Situation ist ernst. Die Bilanz ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Damit kann keiner zufrieden sein." Stevic will das Treffen nicht als Rapport verstanden wissen. Dass es beim Krisengipfel um Lienens trostlose Bilanz geht, darf gewiss erwartet werden. Nach dem 0:1 in Cottbus macht Stevic den Profis - mit Ausnahme von Radhouane Felhi (s. unten) - keinen Vorwurf: "Es hat jeder alles gegeben." Die Pleite sei auch "Pech" gewesen. Und Torwart Gabor Kiraly macht sich mit Durchhalteparolen Mut: "Ich sehe sehr viele positive Dinge. Wir haben nicht so kläglich verloren wie in Frankfurt (2:3, d. Red.). Die Mannschaft ist bereit. Wir müssen arbeiten, arbeiten, arbeiten." Kiraly wird in den nächsten Tagen freilich fehlen. Der Ungar liess sich am Sonntag am Stadion der Freundschaft abholen. Für ihn ging's von Cottbus direkt zur Nationalelf.
Oliver Griss