Udes Hoffnung: Die Blauen auf dem Balkon

„Mir fehlt Sachlichkeit!“ Der OB über die Krisen bei 1860 und wieso bei Bayern alles besser läuft
AZ: Herr Ude, zum 100. Geburtstag des FC Bayern vor zehn Jahren gab es im Rathaus eine Feierstunde, nun begehen die Löwen ihr 150. Jubiläum, und Sie geben keinen Empfang? Ausgerechnet Sie als Löwen-Fan?
CHRISTIAN UDE: Es hat Gespräche zwischen der Protokollabteilung der Stadt und dem Verein gegeben, wir haben auch eine Einladung ausgesprochen. Wir hätten gerne einen Empfang gegeben, aber der Verein wollte nicht. Die Begründung war, dass sie lieber mehrere Tage in Riem feiern wollen als einmal im Rathaus, weil dann auch die Fans etwas davon haben. Das war ja auch eine plausible Erklärung.
Aus Vereinskreisen klang das anders, da war man eher leicht beleidigt, dass man nicht erwünscht wäre im Rathaus.
Das ist völlig falsch. Aber ich verspüre bei 1860 eine aktuelle Neigung, fast alles Missgeschick, für das man selbst verantwortlich ist, anderen anzulasten.
Da könnte man glatt auch an den Streit um die Miet- und Catering-Kosten mit dem FC Bayern in der Allianz Arena denken. Man will raus aus Fröttmaning und hofft, dass die Bayern die Löwen aus dem bis 2025 laufenden Vertrag entlassen, aber zahlen will Löwen-Geschäftsführer Manfred Stoffers vorläufig auch nicht mehr.
Da fehlt mir von Seite des TSV 1860 die Sachlichkeit. Die Lebenserfahrung zeigt mir, dass so ein Umgang nicht hilfreich ist, in Situationen, in denen ich von anderen einen Gefallen erhoffe und erwarte. Da wäre es von Vorteil, mit dem Gegenüber sachlich und korrekt umzugehen.
Aber die Verantwortlichen des Vereins schien ja schon immer die Lust am Untergang anzutreiben, deswegen gelang es ja auch nicht, sich nach den großen Erfolgen sportlich und wirtschaftlich als Spitzenklub zu etablieren.
Das ist auch eine Beobachtung, die ich mir nicht verkneifen kann. In meiner Gymnasialzeit, als ich ein Fan des Vereins wurde, da besaß der Verein eine Faszination, der man sich nicht entziehen konnte. Das lag an den sportlichen Erfolgen, aber auch an so einzigartigen Charakteren wie Radenkovic oder Brunnenmeier. Danach sind die Bayern in der Vereinsführung immer professioneller geworden. Selbst bei internen Konflikten halten sie nach außen hin wie Pech und Schwefel zusammen, dazu gibt es eine grandiose personelle Kontinuität.
Auch weil sie alte Spieler mit in den Verein einbanden.
Da stehen seit Jahrzehnten die selben Namen ganz oben, während mich in den 13 Jahren, in denen ich bei 1860 Aufsichtsrat war, die Schnelligkeit der Fluktuation in den verantwortlichen Positionen schon erschreckt hat. Und dass Fredi Heiß einst der letzte Altstar in einem Führungsgremium war, hat bei mir auch Kopfschütteln hervorgerufen.
So bitter es sein mag, da verbreitet ein FC Bayern im Münchner Fußball derzeit mehr Freude. Nächsten Samstag sind Sie mit dabei in Madrid beim Finale der Champions League, hängen Sie sich dann in Bernabeu einen rot-weißen Schal um?
Nein, das hieße ja, sich als FC-Bayern-Fan zu verkleiden. Ich werde mir aber auch nicht provozierend einen Löwenschal umhängen.
Und tags darauf wird Louis van Gaal mit Ihnen wieder auf dem Rathausbalkon tanzen.
Das sind Feste, an die ich mich gewöhnt habe. Gerne würde ich aber auch natürlich die Löwen noch vor dem Ende meiner Amtszeit auf dem Balkon begrüßen. Ich verlange dafür keine Meisterschaft, der Aufstieg in die Bundesliga würde mir schon reichen.
Sie sind ja noch bis März 2014 im Amt.
Richtig. Drei Chancen mit mir auf dem Balkon haben sie noch. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Man wünscht sich auch so Ereignisse zurück wie die beiden Millenniumsspiele, wo gegen den Lokalrivalen gewonnen wurde, beim letzten Derby im alten Jahrtausend und dem ersten im neuen. Nur ist zu befürchten, dass das wirklich ein Jahrtausendereignis war. Interview: Florian Kinast