Typisch Sechzig

»Jede Niederlage schweißt uns noch mehr zusammen!« Nach dem bitteren Aus im DFB-Pokal gegen die Roten haben die Löwen den Blues – und fauchen schon wieder. Dieses irre Derby war wie ein Abbild der gesamten blauen Klubhistorie.
von  Abendzeitung
So weint ein Löwe: Verzweifelt reagierte Torben Hoffmann auf die knappe Niederlage gegen die Bayern.
So weint ein Löwe: Verzweifelt reagierte Torben Hoffmann auf die knappe Niederlage gegen die Bayern. © ap

»Jede Niederlage schweißt uns noch mehr zusammen!« Nach dem bitteren Aus im DFB-Pokal gegen die Roten haben die Löwen den Blues – und fauchen schon wieder. Dieses irre Derby war wie ein Abbild der gesamten blauen Klubhistorie.

Der Löwe musste gestern erst mal seine Wunden lecken. Nach diesem dramatischen 0:1 in der allerletzten Minute der Verlängerung im Pokal-Derby gegen die Bayern. Doch auch beim Aufarbeiten dieser bitteren Niederlage, da fauchte er schon wieder.

„Wer denkt, dass wir nach diesem Spiel am Boden sind, den werden wir eines Besseren belehren“, versprach 1860-Trainer Marco Kurz, „jetzt kommt bei uns die Jetzt-erst-recht-Mentalität, jetzt sind wir erst richtig hungrig.“

Die Geschichte wiederholt sich

Wieso sollte dieser Pokal-Fight, den die Bayern dank der Genialität ihres Superstars Franck Ribéry für sich entschieden, die Löwen schließlich umhauen? Für 1860 ist am Mittwochabend in Fröttmaning nicht viel mehr passiert, als dass sich die Geschichte wieder mal wiederholt hat.

Eine unglückliche Grätsche von Chhunly Pagenburg an der Strafraumgrenze gegen Klose, die strittige Elfmeter-Entscheidung, Ribérys arrogante Ausführung im zweiten Anlauf und die Löwen, die großartig gekämpft hatten und am Ende doch die Verlierer waren, irgendwo zwischen Trauer und Stolz: Diese irren 90 Sekunden waren wie ein Abbild der gesamten blauen Klubhistorie.

Nicht von ungefähr "einmal Löwe, immer Löwe"

Wie oft waren die Löwen schließlich schon so nah dran an der Sensation? Wie oft hatten sie die Chance, die Nummer 1 in der Stadt zu werden? Wie oft unterlagen sie dann aber doch den Bayern? Und wie oft standen sie danach wieder auf?

Eben. Immer. Und immer wieder. „Jede Niederlage hat die Löwen immer noch mehr zusammengeschweißt“, sagt Vizepräsident Karsten Wettberg. „Einmal Löwe, immer Löwe“, dieser Leitspruch komme schließlich nicht von ungefähr.

Insofern war diese Pokalniederlage, so unnötig sie auch gewesen sein mag, eben wieder mal nur typisch Sechzig. Typisch für diesen Klub, der für etwas anderes als Drama einfach nicht zu haben ist. Typisch für die Löwen, denen seichte Schmonzetten fern liegen, die am liebsten gepflegten und traurigen Blues anstimmen. Denen irgendwie alles, was sie sich mühsam erarbeitet haben, gleich wieder kaputt geht.

„Wir Löwen leben mit den Misserfolgen“, sagt Wettberg. „Wir Löwen haben das Prinzip Hoffnung verinnerlicht“, sagt Fredi Heiß, Mitglied der Mannschaft, die 1966 tatsächlich die Nummer eins der Stadt, ja sogar von ganz Deutschland war. Aber auch den Meisterlöwen gelang nach ihrem Husarenstück nicht mehr viel. „So ist das halt bei Sechzig“, sagt Heiß heute. „Frustrierend? Nicht, wenn man Löwe ist. Nicht, wenn man den Zuschauern trotzdem immer ein Spektakel liefert“, meint Wettberg.

Der Löwen-Fan könne sich auch über Niederlagen freuen, „wenn die Spieler auf dem Platz die Tugenden zeigen, die ein Löwe einfach braucht“, findet der Vize. Einsatzwille, Kampfkraft, mannschaftliche Geschlossenheit, das zeichne eine Löwen-Truppe aus. All das, was die junge Mannschaft, die am Mittwoch ausschied, zur Genüge gezeigt hat. „Ich bin stolz auf die Mannschaft“, sagt Heiß, „so stolz war ich vielleicht noch nicht mal, als wir die Champions-League-Qualifikation erreicht hatten.“

"Die Stadt ist blau"

Auch der Trainer ist stolz auf sein Team. So stolz, dass er sich trotz der Niederlage schon wieder traute, ordentlich in Richtung Säbener Straße zu fauchen. „Wir haben uns Respekt erarbeitet. Mittlerweile müssten auch die da drüben wissen, dass die Stadt blau ist“, sagte Kurz gestern. Und dann fügte er noch ein wenig hämisch an: „Die Roten haben sich nach dem Sieg aufgeführt, als hätten sie die WM gewonnen.“ Und so etwas, das kann Kurz, das kann ein echter Löwe, wirklich nicht verstehen.

Filippo Cataldo, Thorsten Klein

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