TSV Schleuderstuhl

MÜNCHEN - Seit Werner Lorant im Oktober 2001 den TSV 1860 nach neuneinhalb Jahren verlassen musste, suchen die Löwen verzweifelt den Super-Trainer. Er soll es schaffen, die Löwen aus dem Tiefschlaf zu reanimieren.
Nein, als Trainer ist Werner Lorant in Deutschland nur noch schwer vermittelbar. „Die Leute haben mit mir ein Problem“, sagt der 61-jährige Sportdirektor des Berliner Viertligisten TeBe Berlin, „weil ich einer bin, der jedem die Wahrheit ins Gesicht sagt, auch wenn sie noch so bitter ist.“
Der Trainer-Globetrotter, der nach seinem Engagement beim TSV 1860 fast die ganze Welt beruflich bereist hat, aber nirgendwo sesshaft wurde, ist der Typ Trainer, der vom Aussterben bedroht ist: Ehrlich, direkt und hart. Doch seine Art, die eher rustikale, kommt heute nicht mehr an. Beim TSV 1860 war Lorant nach dem unvergessenen Max Merkel, der 2006 im Alter von 87 Jahren verstarb, dennoch der erfolgreichste Trainer aller Zeiten. Ihm ist der Durchmarsch von der Bayernliga bis in die Bundesliga gelungen – innerhalb von zwei Jahren.
Seit Lorant im Oktober 2001 – nach einem 1:5 gegen den FC Bayern – den TSV 1860 nach neuneinhalb Jahren verlassen musste, suchen die Löwen verzweifelt den Super-Trainer, der es schafft, 1860 aus dem Tiefschlaf zu reanimieren. Das Lorant-Vakuum. Alle 1860-Trainer werden mit Lorant verglichen – und genau das macht es so schwer für seine Nachfolger.
Selbst Lorants ehemaliger Co-Trainer Peter Pacult, der hätte wissen müssen, wie es funktioniert, ist an dieser Last gescheitert. Zwar war der Österreicher als Lorants Nachfolger mit den Löwen auf Europacup-Kurs, doch Ex-Präsident Karl-Heinz Wildmoser wurde nach einem desolaten 0:6 in Berlin vom seinerzeit arbeitslosen Falko Götz so bearbeitet, dass Wildmoser wenige Tage später – trotz Platz acht in der Bundesliga – Pacult entlassen hat. Und was machte Wildmoser? Der gab Götz einen Vertrag, ohne aber zu wissen, dass der ehemalige DDR-Auswahlspieler nicht zu einem Kultklub wie den TSV 1860 passe.
Für den Verein einer der größten Fehlgriffe. Götz, der im Verein den Spitznamen „Fönwelle“ hatte, kam bei 1860 überhaupt nicht zurecht. Im Frühjahr 2004 musste Götz wieder gehen, ihm folgte der unerfahrene Ex-Löwen-Profi Gerald Vanenburg. Doch der holländische Europameister von 1988 konnte den Abstieg nicht mehr verhindern. Für 1860 trat der Super-Gau ein, der bittere Gang in die Zweitklassigkeit war perfekt.
Danach ging’s mit der Trainer-Rochade so richtig los an der Grünwalder Straße: Wunschkandidat Rudi Bommer musste nach knapp einem halben Jahr im Dezember 2004 wieder gehen – Auslöser: Ein 1:5 in Aachen. Auf Bommer folgte Reiner Maurer. Der Aufstiegsheld von 1994 war nach der Statistik der beste Zweitliga-Trainer seit dem Abstieg: Platz 4 in der Saison 2004/2005. Doch Vertrauen genoss Maurer nie – und so wurde er im Januar 2006 nach einem 0:0 gegen LR Ahlen von Präsident Karl Auer wieder entlassen. „Das habe ich bis heute nicht verstanden“, klagt Maurer, „wir waren doch gut im Rennen – und Vierter.“
Auf Maurer folgten Walter Schachner, Marco Kurz und Uwe Wolf. Alle drei scheiterten am großen Druck an der Grünwalder Straße. Seit Mai 2009 versucht sich nun Ewald Lienen. Ihm schenkt Präsident Rainer Beeck das grenzenlose Vertrauen: „Er ist der richtige Trainer“, sagt er, „um aufzusteigen“. Der erste Versuch ging in dieser Saison schon mal daneben – ob’s Lienen 2011 schafft?
Oliver Griss