TSV 1860: Von Scheichliedern und Stinkefingern

Sportlich läuft es beim TSV 1860. Doch ein alter Konflikt brodelt gerade mal wieder: die Beziehung zwischen einem Teil der Fans und dem Investor. Beide Seiten scheuen nicht vor Schmähungen zurück.
Matthias Eicher
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Bei einigen Fans unerwünscht: Anthony Power und Investor Hasan Ismaik.
Bei einigen Fans unerwünscht: Anthony Power und Investor Hasan Ismaik. © sampics/Stefan Matzke

München - Es könnte alles so schön sein bei den Löwen. Die Mannschaft um Kapitän Stefan Lex und Trainer Michael Köllner holte zum Auftakt der neuen Drittliga-Saison satte vier Siege in Serie.

(Boarisch-)Englische Geburtstagsgrüße

Dass das Duo jüngst in einem Video mit (Boarisch-)Englisch Geburtstagsgrüße an Investor Hasan Ismaik sendete und das Team klatschend "Happy Birthday" anstimmte, dürfte so manchem Sechzger nicht gefallen haben. Schließlich gibt's mal wieder Stress mit dem Geldgeber. Seit Jahren schon erhitzen sich die Gemüter im Fan-Lager des TSV 1860 immer wieder über Ismaik, seit 2011 Hauptgesellschafter und seit Montag 45 Jahre alt.

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Der stolze Arbeiterverein 1860 mit seiner 162-jährigen Tradition, mit ganz viel Giesinger Kult und ein steinreicher Investor, der die Löwen womöglich nur als Spielzeug ansieht – wie soll das zusammenpassen? Gerade zwischen der aktiven Fanszene und Ismaik scheppert es immer wieder. Neuester Stein des Anstoßes: das Wirken von Anthony Power, bei Teilen der Fans eine Persona non grata.

Kritik von Ultras "Münchner Löwen"

"Als Geschäftsführer der TSV 1860 Merchandising GmbH kopierte er auf absolut billigste Art und Weise das 'Wir sind der Verein'-T-Shirt des TSV München von 1860 e.V.", kritisiert die Ultra-Gruppierung "Münchner Löwen" rund um das Heimspiel gegen den SV Meppen (4:0) die bereits vor Monaten getätigte Maßnahme des Ismaik-Statthalters Power, ein T-Shirt mit frappierender Ähnlichkeit über den offiziellen Fanshop zu vertreiben.

TSV 1860: Der Vulkan brach wieder aus

Nachvollziehbar, dass die Fans in Rage geraten, schließlich wollen sie ihren Verein supporten und nicht den Geldgeber, dem sie kritisch gegenüberstehen. Verständlich allerdings auch, dass Ismaik und Vertreter Power über ihre Fanartikel-Firma Umsätze generieren wollen. Doch anstelle die grundverschiedenen Absichten zu akzeptieren oder zu tolerieren, schwelte dieser Konflikt unter der Oberfläche – zuletzt brach der Vulkan wieder aus.

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Ultra-Forderung: "Power muss weg!"

"1860 braucht keine Axt im Walde und keinen Funktionär, dessen einziger Zweck es ist, für ein maßlos überzogenes Gehalt das allsehende Auge des Investors an der Grünwalder Straße 114 zu spielen", schrieben die Ultras und forderten: "Power muss weg!" Garniert wurde dieser Protest einmal mehr mit einer Fahne, die das durchgestrichene Konterfei von Ismaik zeigt.

Eigentlich ein Fall für die Geschäftsführung des TSV, also Marc-Nicolai Pfeifer und Günther Gorenzel. Das Duo hatte sich aufgrund der Explosivität dieser Angelegenheit mit Stellungnahmen zurückgehalten. Bis zu ihrem Offenen Brief.

Die Fahne wird als Beleidigung gewertet

"Die Botschaft macht der Empfänger, nicht der Sender", lautet ein bekannter Spruch. So kommt die Fahne, die ein durchgestrichenes Konterfei von Hasan Ismaik zeigt, beim Empfänger und dessen Kulturkreis als "Beleidigung und Diskriminierung an", hatte die Geschäftsführung nach dem Sieg gegen Oldenburg (1:0) erklärt und an den Löwen-Kosmos appelliert, sowohl im Stadion, als auch im Internet selbige Äußerungen zu unterlassen. Ein gut gemeinter Versuch, denn gegenseitiges Abrüsten wäre durchaus ein Schritt der Vernunft.

Die Fans pochen auf ihre Meinungsfreiheit

Der Schuss schien jedoch nach hinten loszugehen: Prompt erneuerte die Anhängerschaft in der Westkurve gegen Meppen den Fan-Protest, pochend auf ihre Meinungsfreiheit. Nachdem lautstarke Kritik an vermeintlichen Verboten von Ismaik-kritischen Fanartikeln im Stadion aufgekommen war, ruderte 1860 in diesem Punkt zurück und berief sich auf einen "Kommunikationsfehler". Ob es wirklich einer war?

Von Präsident Robert Reisinger und seinen Vizepräsidenten hieß es in einer vielsagenden Reaktion: "Unser persönlicher Wunsch ist es, dass alle in und um unseren Verein eine Debattenkultur pflegen, die auch im sachlichen Streit den anderen wertschätzt." Ob dazu die durchgestrichene Silhouette eines Menschen gehört, erhitzt die Gemüter.

Für den Betroffenen ist die Darstellung sicher ein Affront. Justiziabel ist sie nicht." Die Ismaik-Proteste sollen durch eine Annäherung mit dem abgetauchten Hauptgesellschafter verschwinden, nicht durch Verbote.

Pfiffe gegen das "Scheichlied"

Interessant: Als gegen Meppen erneut das "Scheichlied" gegen Ismaik ertönte, kam von gemäßigteren Fans auf der Haupttribüne und aus der Stehhalle Pfiffe und "Sechzig!"-Sprechchöre, die es überlagern sollten. Einziges Problem: Stets neuerliche Provokationen machen es schier unmöglich, die Situation zu befrieden.

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So geschehen im Rahmen der Glückwünsche an Ismaik: Ein Twitter-Nutzer postete glatt ein Bild der Anti-Ismaik-Flagge unter Ismaiks Danksagung an die Gratulanten um Köllner. Prompt antwortete der Jordanier, oder der Betreiber seines Accounts, mit zwei Zeichen: einem Smiley mit Herzchenaugen – und einem Stinkefinger. Ob es Ismaik selbst gewesen ist, oder nicht: Viel unklüger als durch die beleidigende Geste hätte er wohl kaum reagieren können.

Alle Augen auf Freitag

Neuer Ärger programmiert? Am Freitag steht nun das nächste Heimspiel gegen den Halleschen FC an (19 Uhr). Man darf nicht nur gespannt sein, ob Lex, Köllner und Co. den Startrekord von fünf Dreiern in Folge schaffen – auch auf den Rängen könnte es eine Fortsetzung der Fans, ihres Power-Problems und dem Clinch mit Ismaik geben.

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  • Kein1860Fan am 18.08.2022 15:14 Uhr / Bewertung:

    Kaiser Jannick: Ihr Wunsch: "Ismaik sollte sich zeitnah bei der KGaA sehen lassen, ... , um die Zukunft zu besprechen."

    Diesem frommen Wunsch sind zwischen 2011 und 2017 viele Präsidenten nachgekommen. Teilweise haben sie unterwürfig um Audienzen in Dubai nachgesucht. Und was war das Ergebnis? Nichts !!! Man hatte alles mögliche thematisiert, nur wenn es konkret wurde, war es nicht so gemeint. Kleines Beispiel: Vollmundig hatte H.I. verkündet, dass er für Bierofka alle Spieler bezahlen würde, die dieser sind wünscht. Das war dann der ablösefreie Tribünenspieler Timo Gebhart vom Regionaligisten Viktoria Berlin.

    Vor allem: "Verhandlungen mit arabischen Partnern sind sehr zeitaufwändig, die viel Geduld, Flexibilität und einen langen Atem erfordert. Von der ersten Begegnung, der Anbahnung bis hin zum Vertragsabschluss kann es Jahre dauern." Mal eben ein schnelles Gespräch bringt überhaupt nichts und führt meistens wie 2011 nur zu Mißverständnissen (50+1-Regelung)

  • Kaiser Jannick am 18.08.2022 17:30 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kein1860Fan

    @Kein1860Fan, zwei Fragen:

    1: was hat es mit Ihrem sehr ungewöhnlichen "Nick" auf sich? Wer wie Sie ein doch recht tiefgehendes Wissen über die Löwen hat, kann doch kein "Nicht-Fan" sein?

    2: was konkret Neues wollen Sie mir Ihrer Replik sagen?

    Auch mir ist bekannt, wie ich geschrieben habe, dass HI schon lange nicht mehr hier war.
    Dito, dass aufgrund der langen Historie mit ihm jedwede Art von Kommunikation, erst recht Gesprächen, immer sehr schwierig waren und wohl, wie die jüngere Vergangenheit zeigt, auch bleiben werden.

    Dennoch ist ein persönliches Gespräch grundsätzlich ein gutes Zeichen von beiden Seiten und immer eine Chance auf Annäherung sowie folgende persönliche Termine.
    Ich wüsste also nicht, welches vernünftig Argument dagegen sprechen sollte.

  • Kein1860Fan am 18.08.2022 19:20 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kaiser Jannick

    Kaiser Jannick:

    Meine Antwort war weniger an Sie persönlich gerichtet, als an die Fans, die sich aufgrund eines Gespräches zwischen dem Präsidium und HAM erhoffen, dass der Kreditgeber ein Füllhorn über die TSV KGaA auskehrt. Das halte ich für eine Illusion. Natürlich könnte ein persönliches Gespräch sinnvoll sein. Das vor allem, wie Sie wissen dürften, bei arabischen Verhandlungspartnern viel Wert auf die persönliche Beziehungsebene gelegt wird.

    Soweit ich das als Außenstehender beurteilen kann, dürfte auch nach elf Jahren zwischen München und Dubai noch beträchtliche Fehleinschätzungen bestehen. Deshalb könnte es sinnvoll sein, wenn weiterhin viele Entscheidungen schriftlich erfolgen. Als Beispiel dazu die nach 2017 nicht fristgerecht erfolgten Zahlungen seitens HAM. Im arabischen Raum werden Zahlungstermine eher als flexibel handhabbar eingestuft. Schwierig ohne schriftliche Vereinbarung, da Mahnungen eher als Beleidigung angesehen werden.

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