TSV 1860: Torwart Marco Hiller im Interview über den verpatzten Löwen-Aufstieg

Die Saison des TSV 1860 lief enttäuschend. Statt des angestrebten Aufstiegs wird am Ende der Spielzeit 2022/23 nur ein Platz im oberen Mittelfeld zu Buche stehen. Eine der wenigen Konstanten im Löwen-Team war Torwart Marco Hiller.
Der 26-Jährige hielt beim 1:0-Erfolg gegen den SC Freiburg II zum achten Mal in dieser Saison seinen Kasten sauber und half damit, wie bereits in den Wochen zuvor, dass die Sechzger auf ein versöhnliches Saisonfinale zusteuern. Die AZ hat den Ur-Löwen zum Interview getroffen.
AZ: Herr Hiller, beim 1:0 gegen den SC Freiburg II wurden Sie von Jesper Verlaat mit einem Kopfball, der ohne ihr reaktionsschnelles Eingreifen zum Rückstand für Sechzig geführt hätte, früh wachgerüttelt. Hat Ihr Teamkollege Ihnen für diesen Schock wenigstens im Nachhinein einen Schnaps - Verzeihung, besser einen Kaffee - ausgegeben?
MARCO HILLER: (lacht) Nein, das muss er auch nicht. Einen Spruch musste er sich aber dafür von mir schon anhören. Wenn er das jetzt nicht acht Mal pro Spiel macht, unterstelle ich da keinem eine Absicht.
TSV 1860: Hiller unter Hochspannung
Diese Szene hat auf jeden Fall gezeigt, dass von Druckabfall bei Ihnen keine Rede sein kann. Wie hält man die Spannung für sich selbst hoch, jetzt vor dem Spiel bei RW Essen (Sonntag, 13 Uhr/Magenta Sport) und besonders in einer Phase, in der es für Sechzig nur noch um die goldene Ananas geht?
Man hat ja als Profi immer Ziele und man will den Rest der Saison noch für sich persönlich so positiv wie möglich gestalten. Manche Spieler möchten sich ja noch für die neue Saison empfehlen. Da ist es klar, dass die Spannung hochgehalten werden muss.
Vertragsverlängerung bis 2025: Hiller will weiter alles geben
Da sind Sie ja aktuell fein raus, weil Sie Ihren Vertrag bei den Löwen unlängst erst bis 2025 verlängert haben...
Das stimmt. Außerdem finde ich auch, dass es unsere Fans verdient haben, dass wir bis zum Schluss alles geben. Nur weil es leider um nichts mehr geht, kann man jetzt nicht Larifari spielen. Die Fans geben alles auf den Rängen und dann muss man das selbst natürlich auch.
Letzten Herbst waren Sie noch – wie viele andere bei Sechzig – sehr guter Dinge, dass es in dieser Saison endlich klappt mit dem Aufstieg. Wissen Sie noch, wann Sie registriert haben, dass sich da im Team etwas in die falsche Richtung entwickelt?
Es gab jetzt nicht den einen Knackpunkt, wo man merkte, ab da ging es schief. Es war eher ein schleichender Prozess. Ab dem neuen Jahr haben wir aber sicher gemerkt, dass wir viel zu viel haben liegenlassen.
Kein Aufstieg für den TSV 1860: War der Druck zu hoch?
Ist die Mannschaft womöglich an den eigenen Ansprüchen und gleichzeitig der Erwartungshaltung der Fans gescheitert? Vor der Saison ist man bei Sechzig ja sehr offen mit dem Thema Aufstieg umgegangen.
Von vorneherein zu sagen "Wir wollen gar nicht aufsteigen", wäre sicher auch falsch gewesen. Ich denke nicht, dass es von uns der falsche Ansatz war.
Sie gehören längst zu den Alpha-Löwen in der Mannschaft, Ihr Wort hat in der Kabine Gewicht. Sucht man in so einer Situation das offene Gespräch mit den Kollegen, um den Negativ-Trend noch aufzuhalten?
Wenn man jetzt merken würde, dass da einer in der Mannschaft extrem in seiner Leistung abfällt, würde man das sicher auch mal unter vier Augen besprechen. Aber so war es bei uns nicht. Wir haben eher versucht, das intern als Mannschaft zu regeln. Leider hat's nicht so geklappt. Jetzt läuft es ja schon wieder besser. Aber das kam natürlich zu spät.
Hiller Kapitän beim TSV 1860? "Ich möchte mich da nicht aufdrängen"
Für so ein Gespräch mit den Kollegen braucht man nicht unbedingt eine Kapitänsbinde, oder?
Wir sind doch alles erwachsene Männer. Jeder, der in der Kabine etwas zu sagen hat, kann das auch. Da muss keiner Angst haben, dass er Ärger bekommt. Es ist vielmehr erwünscht, dass jeder offen seine Meinung sagt.
Die Kapitänsfrage stellt sich – da der aktuelle Amtsinhaber Stefan Lex seine Karriere nach dieser Saison beendet – trotzdem bald bei Sechzig. Wäre das nicht der passende Job für einen Herzenslöwen wie Sie?
Das entscheidet der Trainer. Da möchte ich mich nicht aufdrängen, aber auch nicht sagen, dass ich das Amt auf keinen Fall übernehmen will, weil mir die Verantwortung zu groß ist. Aber natürlich ist es generell eine Ehre, Kapitän einer Profimannschaft zu sein – vor allem bei Sechzig.
Hiller ohne Wechselgedanken: "Ich bereue diese Entscheidung nicht"
Lässt sich denn aus der kurzen Phase unter dem neuen Trainer Maurizio Jacobacci schon ein Blick in die nahe Zukunft ableiten, also was für ein Auftreten die Löwen-Fans von der Mannschaft in der kommenden Saison erwarten können?
Ich denke, dass man schon jetzt gesehen hat, dass wir jetzt anders spielen als unter Michael Köllner. Wir versuchen, extrem viel hinten raus zu spielen und gerade dieser spielerische Aspekt wird in der neuen Saison dann noch ausgebaut und vertieft werden. Der Trainer gibt einem viele Lösungsansätze an die Hand und wenn man so trainiert wie wir, kann man schon sehen, dass der Plan aufgeht.
Wieso machen Sie es sich eigentlich so schwer? Den Aufstieg in die Zweite Liga hätten Sie schon längst mit Hilfe eines Wechsels haben können – Angebote gab es ja genug...
Ich habe aber klar gesagt, dass ich das mit Sechzig schaffen möchte, und habe mich deshalb ganz bewusst dazu entschieden, hier zu verlängern. Auch wenn es heuer mit dem Aufstieg nicht geklappt hat, bereue ich diese Entscheidung nicht. Selbst wenn ich vorher schon gewusst hätte, dass es nicht klappt, würde ich es immer wieder genauso machen.
Neuer Torwart für den TSV 1860? "Mit Gerüchten bei Sechzig sollte man vorsichtig sein"
Wenn man so lange dabei ist wie Sie und man diese enge Verbundenheit zum Verein demonstriert – wie geht man dann mit Gerüchten um, 1860 wolle sich ausgerechnet auf der Torwartposition verstärken?
Wenn der Vertrag der aktuellen Nummer zwei ausläuft, ist doch klar, dass sich der Verein Gedanken macht. Außerdem sollte man mit Gerüchten bei Sechzig eh sehr vorsichtig sein. (lacht)
Ein Blick noch in die ganz nahe Zukunft: Was erwarten Sie vom letzten Heimspiel am nächsten Freitag ausgerechnet gegen Erzrivale Waldhof Mannheim?
Natürlich drei Punkte und ein versöhnliches Ende dieser Saison – vor allem für unsere Fans.
Sollte das klappen, werden Sie dann im Grünwalder mal wieder auf den Zaun klettern?
Bestimmt!