TSV 1860: Sind Sie ein Hooligan-Präsident, Herr Reisinger?

München - Hooligans und Ultras genießen allgemein keinen besonders guten Ruf und daran haben sie auch durchaus Mitschuld. Bilder von Vermummten, die sich zu einer Massenschlägerei verabreden, gab es auch schon in München. Und auch Rechtsextremismus war und ist in Teilen der Szene noch immer ein Problem, dazu kommt die leidige Pyro-Thematik.
Was dabei häufig vergessen wird: Für das schlechte Image der Hardcore-Fans ist in aller Regel nur ein kleiner Teil verantwortlich. Der weitaus größere ist absolut friedfertig und kommt ins Stadion, um seinen Verein zu unterstützen. In der Kurve finden sich Eltern mit ihren Kindern, Ärzte stehen Seite an Seite mit Bauarbeitern. Ein bunter Querschnitt der Gesellschaft eben. Was sie eint: Der maximale Support für ihre Mannschaft – in guten wie in schlechten Zeiten.
Auch Robert Reisinger stand einst in der Kurve. 40 Jahre ist das mittlerweile her, das Singen und Schreien überlässt er freilich längst den Jüngeren. Heute ist der 59-jährige Präsident des TSV 1860 e.V. und schaut sich die Spiele seiner Löwen von der Haupttribüne aus an. Ein Vollblut-Fan ist er immer noch, nur eben einer in hohem Amt.
Reisinger: Künftig wird es häufiger Ex-Ultras in hohen Ämtern geben
Reisinger steht damit keineswegs alleine da. Auch Bundesligist Hertha BSC hat in Kay Bernstein mittlerweile einen ehemaligen Ultra als Präsidenten. Der positionierte sich in den vergangenen Jahren übrigens als Gegenpol des bei den Fans nicht allzu beliebten Investors Lars Windhorst und gewann den Machtkampf im Juni vergangenen Jahres.
Geht es nach Reisinger, werden Fans in wichtigen Ämtern ihres Vereins künftig nicht mehr die Ausnahme sein. "Hertha BSC hat mittlerweile ja auch einen angeblichen Ultra als Präsidenten. Das werden wir in Zukunft noch viel, viel öfter erleben, weil sich die Leute in der Ultra-Bewegung eben kritisch mit dem Verein auseinandersetzen und da auch ihre Ideen einbringen wollen", meinte der 59-Jährige am Mittwoch im Rahmen der Diskussionsreihe "Das rote Sofa – Themen, die München bewegen" der AZ auf einem eigens für ihn organisierten blauen Sessel.
Robert Reisinger: Ein positiver Hooligan-Präsident
Den Begriff Hooligan-Präsident, wie Hertha-Kollege Bernstein von einer großen Boulevardzeitung getauft wurde, wollte sich Reisinger aber nicht einfach so anheften lassen. "Definieren wir Hooligan: Ist das ein gewaltbereiter Nazi, der in der Kurve steht und Nazi-Lieder schmettert? Dann bin ich natürlich kein Hooligan", antwortete der Oberlöwe auf eine entsprechende Frage von AZ-Chefredakteur Michael Schilling, der die Veranstaltung moderiert hat.
Sei ein Hooligan aber "per Definition einer, der seine Liebe zum Verein dadurch zeigt, dass er den Verein anfeuert, zum Verein steht und den Verein unterstützt? Dann bin ich Hooligan in einem positiven Sinne und nicht im Sinne der englischen Filme, wo Hooligans nur wilde Horden waren, die randalierend, saufend und koksend andere Fans zusammenschlagen." Reisingers Fazit: "Ich bin ein positiver Hooligan-Präsident – so kann man es sagen!"