TSV 1860: Nico Karger - Es ist brutal, wenn du so lange raus bist

München - Nico Karger spielt seit 2009 für den TSV 1860. Nach einem Muskelriss im Adduktorenbereich im Juli gab er vergangenes Wochenende gegen Mannheim sein Comeback.
AZ: Herr Karger, nach achtmonatiger Verletzungspause haben Sie beim 1:1 gegen Waldhof Mannheim Ihr Comeback gefeiert. Wie war's?
NICO KARGER: Ich war schon sehr ausgepowert. Es fehlen noch ein paar Körner, aber die Hauptsache ist: Ich kann endlich wieder auf dem Rasen stehen.
Sie sagten nach dem Spiel, Sie hätten beruflich wie privat eine lange Leidenszeit erlebt. Wie haben Sie das gemeint?
Es ist viel passiert. Ich hatte ja erst eine Schambeinentzündung. Die kam schleichend, am Anfang war es gar nicht so schlimm. Aber es gab Tage, da konnte ich vor lauter Schmerzen nicht trainieren. Allein das ist schon eine fiese Verletzung, weil man nie so genau weiß, wie lange es dauert, bis sie ausheilt. Dann kam im Sommer im Trainingslager noch dieser Muskelriss dazu. Das hing alles irgendwie zusammen und hat mich total zurückgeworfen.
Was hat Ihnen am meisten zu schaffen gemacht?
Es ist brutal, wenn du so lange raus bist aus dem Alltag eines Profis. Allein der Tagesablauf macht dir zu schaffen. Du stehst auf, steigst ins Auto und während alle anderen auf den Trainingsplatz gehen, kannst du nur dein Rehaprogramm machen, hast Arzttermine. Du musst die Ernährung umstellen, denn ohne Sport darfst du dir nicht so viele Nudeln reinknallen. Ich habe aber sogar so abgenommen, dass meine Oma meinte: "Du schaust total abgemagert aus, du musst was essen!" (lacht)
Karger über seine Leidenszeit: "Das war eine Katastrophe"
Was Ihre Gesundheit anbelangt, haben Sie ja eine Vorgeschichte: 2014 sind Sie nach einem Zeckenbiss an Borreliose erkrankt, 2018 mussten Sie das Training aufgrund von Herz-Kreislauf-Problemen abbrechen. Das sind Momente, in denen man es mit der Angst zu tun bekommt, oder?
Ja, das war eine schwere Zeit. Aber du kannst dir noch so oft sagen: "Mach dir keinen Kopf" – du machst es trotzdem. Das war eine Katastrophe.

Was hat Ihnen geholfen, diese Phasen zu überstehen?
Meine Familie war ganz wichtig. Es gab Tage, da konnte ich nicht zuhause sitzen und habe viel mit Freunden unternommen. Ich habe auch lange mit Biero (Ex-Trainer Daniel Bierofka, d. Red.) telefoniert. Er hat mir sehr geholfen. Es war sehr wichtig, Leute zum Reden zu haben.
Umso schöner dürfte der Moment gewesen sein, als Sie am vergangenen Samstag in der 66. Minute eingewechselt und von tausenden Löwen-Fans frenetisch begrüßt wurden.
Ja, es war ein sehr schönes Gefühl, besonders nach der langen Zeit. Jetzt reicht es erstmal mit Verletzungen für ein paar Jahre. Schade, dass wir nicht gewonnen haben, denn wir hatten Mannheim gut im Griff und hätten den Dreier verdient gehabt.
Karger: "Muss schauen, richtig fit zu werden"
Was wohl auch jeder länger verletzte Profisportler kennt: diese Ungeduld, bis man wieder auf dem Platz stehen darf.
Ja, aber es hilft nichts: Man braucht eben Geduld. Jetzt war es zum Glück so weit. Aber ich muss schauen, richtig fit zu werden. Man kennt ja diese Faustregel: Man braucht etwa noch einmal so lange, wie man raus war. Ich hoffe, es geht schneller.
Wie schwer fällt es, wieder Vertrauen zu fassen in den Körper – im Profifußball ja Ihr Kapital?
Ich denke, das geht nicht sofort: Das kommt nach und nach. Am Anfang hat mich das gehemmt und ich dachte, wenn du jetzt mal den Ball bekommst, kommt es wieder. Es ist auch Kopfsache: Du musst das ausblenden.
Am Samstag müssen Sie beim SV Meppen antreten. Sind Sie bereit für den nächsten (Kurz-)Einsatz?
Ja, aber ich setze mir da kein Ziel: Ich will einfach fit bleiben und hoffe, dass ich in der Offensive mit meiner Schnelligkeit und Torgefahr frischen Wind reinbringen kann. Meppen ist ein bisschen ein Überraschungsteam: Sie haben eine gute Mannschaft, mit Deniz Undav einen Top-Stürmer vorne drin, und Nico Andermatt kickt dort (Ex-Löwe, d. Red.). Natürlich wollen wir sie schlagen. Hoffentlich gibt es auch bald wieder einen "King Karges" und ich darf über ein Tor jubeln – eigentlich am liebsten daheim im Grünwalder Stadion.
Wie schaut es mit grundsätzlichen Zielen aus? Ihr Vertrag bei 1860 läuft im Sommer aus.
Ich mache mich da nicht verrückt. Ich bin mittlerweile elf Jahre hier. Sechzig ist meine Heimat geworden, mehr als zuhause (Kronach in Oberfranken, d. Red.). Viele von den anderen Jungs würden auch gerne bleiben. Ich denke jetzt noch nicht an den Aufstieg, das sorgt nur für Druck. Aber mein Wunschtraum wäre schon, mit den Löwen nochmal in der Zweiten Liga zu spielen.
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