TSV 1860 nach olympischem Derby-Dämpfer "maßlos enttäuscht"

München - Der unvergessene Gerd Müller schoss Deutschland an diesem Ort zum WM-Titel 1974. Der spätere Neunziger-Weltmeister Thomas "Icke" Häßler zirkelte den Ball an dieser Stelle gegen Leeds United an den Pfosten und damit haarscharf daran vorbei, das Tor zur Champions League weit aufzustoßen für die Sechzger. Diesmal war's ein Trauerspiel.
In der zweiten Auflage des Stadtduells Türkgücü gegen den TSV 1860 im Olympiastadion sollten die Löwen ihr blaues Wunder erleben: Eric Hottmann (77.) und Sercan Sararer (85., Elfmeter) schossen die insolvenzgeplagte "türkische Kraft" vor 8.350 Zuschauern zum Derby-Sieg. Richard Neudeckers Anschlusstor kam zu spät (90.), um ihn noch zu verhindern: den olympischen Dämpfer.
Köllner überrascht mit Bankplatz für Salger
"Ich bin maßlos enttäuscht", gestand Löwen-Trainer Michael Köllner nach einer weitgehend blutleeren Vorstellung seiner Mannschaft: "Wir haben fußballerisch schwach gespielt, hatten zu viele Fehler in unserem Spiel." Kollege Andreas Heraf wurde emotional: "Ich freue mich einfach für die Jungs und hoffe, dass irgendwo jemand aufsteht und sagt: Ich möchte, dass dieser Verein noch länger existiert."
Köllner, der das "Oly" mit schönen Erinnerungen an Rockkonzerte und den 2:0-Sieg in der Vorsaison verbindet, überraschte mit der Wahl seiner Olympia-Löwen: Abwehrchef Stephan Salger hockte trotz abgesessener Gelbsperre nur auf der Bank. Neulöwe Kevin Goden feierte sein Startelfcomeback.
Ungleiches Derby-Duell auf den Rängen
Nach einer unspektakulären Abtast-Phase nahm das Duell nach gut 20 Minuten Fahrt auf: Die erste Chance gehörte 1860: Yannick Deichmann zog aus der zweiten Reihe ab, TG-Torwart Franco Flückiger pflückte, nein, er lenkte den strammen Flachschuss noch um den Pfosten. (22.). Im direkten Gegenzug musste Torhüter Marco Hiller Kopf und Kragen riskieren, blieb aber Sieger (23.). Nur zwei Minuten später versuchte es Torjäger Marcel Bär, zielte aber zu hoch. Dann die dickste Gelegenheit: Albion Vrenezi ließ die 1860-Abwehr ganz alt aussehen, schoss aber am Kasten vorbei (29.).
Prompt rührte sich auch auf den Rängen was unter dem Zeltdach, wo 40, 50 Türkgücü-Ultras gleich vier sehr gut gefüllten 1860-Blöcken in der Kurve und damit etwa achttausend entgegenstanden: Die Frage, wer hier regiert, war mit dem "TSV!" schnell geklärt. Erstmals seit dem letzten ausverkauften Duell im Grünwalder gegen den MSV Duisburg (3:2) herrschte in einem Drittliga-Spiel der Blauen wieder richtig Stadion-Atmosphäre.
Das nächste Mal Gefahr vor Kasten sollte es erst nach dem Seitenwechsel geben: Der Winde wehte einen Freißstoß an Hiller und dem Tor vorbei (48).
In der 52. Minute hätte Türkgücü in Führung gehen können, wenn nicht müssen: Wieder war es Vrenezi, der eine Ablage völlig freistehend ans Außennetz nagelte. Glück für 1860. Neulöwe Goden hielt dagegen: Der quirlige Ex-Nürnberger tankte sich durch den Strafraum, doch er fand mit seinem etwas zu kraftlosen Schuss in Flückiger seinen Meister (52.).
Bei 1860 schwanden in der Schlussphase wieder die Kräfte
Knapp zehn Minuten später tauchte Spielführer Lex vor dem Tor auf, Flückiger hielt aber auch seinen Aufsetzer fest. Das nächste Highlight sollte den Fans gehören: "Mit Leib und Seele, aus voller Kehle" sangen sie schalhochhaltend, wie sie es immer tun. Nur diesmal, an diesem historischen Ort, etwas gewaltiger.
TGM-Trainer Heraf reagierte auf seine Weise und wechselte Hottmann und Sararer ein, während bei 1860 die Kräfte schwanden. Auffällig: Die Anhängerschar spürte es und skandierte: "Kämpfen, Löwen, kämpfen!" Stattdessen trafen Türkgücüs Joker ins Herz aller Löwen, die den Glanz vergangener Zeiten für zumindest 90 Minuten zurückerlangen wollten.