TSV 1860: Münchner Fiasko! Wie sich ein Traditionsklub komplett blockiert

München - Wer möchte schon mit so einer Hypothek in eine neue Aufgabe, noch dazu eine derart heikle wie bei den Löwen, starten?
"Er ist kein Anführer, er ist schwach", begrüßte Sechzigs Investor Hasan Ismaik auf seine ureigene Art und Weise den neuen Geschäftsführer Michael Scharold in der "Süddeutschen Zeitung", als dieser Mitte Januar 2018 beim TSV 1860 vorgestellt wurde.
Kaum da, schon so richtig angezählt – das gibt es in dieser Form wohl nur bei den Löwen in München. Ziemlich exakt eineinhalb Jahre hat es gedauert, ehe der Mehrheitseigner nun Finanzchef Scharold endgültig in Frage stellte. Und zwei Jahre nach dem in der Stadt sogenannten schwarzen Freitag, dass "Münchens große Liebe", so der Slogan, wieder tief im Chaos versinkt. Der Ismaik-Rundumschlag – und was dieser für die Sechzger bedeutet. Eine AZ-Analyse.
TSV 1860: Hasan Ismaik fordert Konsequenzen
Für Löwen-Boss Scharold: Die Sätze Ismaiks kommen einer Demissions-Forderung gleich. Zur Erinnerung: Ähnlich nonchalant hatte der Jordanier einst Thomas Eichin abserviert. "In den Aufsichtsratssitzungen der letzten zwölf Monate hatte Scharold laut Auskunft der HAM-Vertreter bei seinen Etat-Präsentationen immer wieder unterschiedliche Zahlen vorgelegt. Sehr wohl wurde das von Saki Stimoniaris, Andrew Livingston und Yahya Ismaik immer wieder kritisiert", schrieb Ismaik: "Zudem erklärte Scharold in einem Pressegespräch, dass er sich beim Etat für die Saison 2018/2019 verkalkuliert habe."
Dass nicht alles optimal gelaufen ist, ist offensichtlich. Vergleicht man den TSV 1860 mit anderen Klubs, sind die Sechzger gnadenlos spät dran. "Warum hat dieses fahrlässige Handeln keine Konsequenzen? Ich kenne die Antwort: Weil sich der TSV 1860 dann eingestehen müsste, dass der Hinweis von HAM vor der Einstellung von Scharold doch nicht so unberechtigt war", erklärte Ismaik weiter.
Er meint, in Scharold den Schuldigen für das aktuelle Schlamassel gefunden zu haben. Dass die Arbeit beim Löwen für einen CEO ein geradezu waghalsiges Unterfangen ist, bleibt freilich unerwähnt. Es drängt sich nun eine Frage auf: Kann ein derart angezählter Geschäftsführer seine Position überhaupt weiter ausführen – ja, behalten? Nach AZ-Informationen soll auch die Vereinsseite an Scharold zweifeln.
TSV 1860: Völlig zerstrittene Gesellschafter
Für die Zusammenarbeit mit dem e.V.: An eine echte und ehrliche Zusammenarbeit ist aktuell nicht zu denken. "Warum sitzt das Präsidium um Robert Reisinger den groben handwerklichen Fehler seines eingesetzten Geschäftsführers aus?", fragte Ismaik in Richtung des Vereins und warf dem Präsidenten und dessen Kollegen vor: "Die Vereinsseite ist immer sehr schnell dabei, wenn es darum geht, die HAM-Seite in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht zu rücken."
Dasselbe könnte die Vereinsseite auch über die HAM-Seite sagen. Die Mitgliederversammlung im Zenith (30. Juni) naht. So hat das Ismaik-Schreiben etwas von Wahlkampf. Nach AZ-Informationen blockiert Ismaik-Vertreter Athanasios "Saki" Stimoniaris im Aufsichtsrat die geplante Erhöhung des Sponsorings durch "die Bayerische" über 900 000 Euro. Sieht so etwa ein Miteinander aus?
Für den Hauptsponsor: Ein Gesellschafter stellt den Hauptsponsor öffentlich an den Pranger - es ist für den deutschen Profifußball ein wohl einmaliger Vorgang. "Wie sich Herr Gräfer seit geraumer Zeit in Szene setzt, geht weit über den Aufgabenbereich eines Sponsors hinaus. Ich sehe Gräfers Worte als reine Provokation. Es steht ihm weder zu, die Geschäfte bei 1860 lenken zu wollen, noch unserem Trainer Daniel Bierofka Tipps zu geben", wetterte Ismaik via Facebbok gegen den "die Bayerische"-Boss: "Gräfer benutzt die Bühne 1860 als One-Man-Show. Wir lassen uns von der Bayerischen nicht unter Druck setzen und schon gar nicht vorführen."
Der Haupsponsor hatte - ebenfalls mittels Social Media - angekündigt, das erweiterte Sponsoring in Absprache mit der Geschäftsführung der KGaA in den kommenden Tagen zu finalisieren. Und damit notfalls ohne Zustimmung des Mehrheitseigners.
TSV 1860: Spieler haben eigentlich schon zugesagt
Für die Sportliche Leitung: Zwar verspricht der Mehrheitseigner gewohnt großspurig selbst eine "zusätzliche Finanzspritze". Doch der jordanische Geschäftsmann will diese als Darlehen zur Verfügung stellen, was das Präsidium kategorisch ablehnt. "Ich weiß von keinem Angebot, und auf Facebook-Einträge reagiere ich nicht", sagte Oberlöwe Reisinger der "SZ". Die Ankündigung von Ismaik könnte somit genauso verpuffen wie das Versprechen von Stimoniaris, kein Löwen-Spieler müsse sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen. Stattdessen wird gegenseitig die Verpflichtung zweier Spieler blockiert, die nach AZ-Informationen schon ihre Zusage gegeben haben.
Dass der aktuellen Mannschaft zudem von allen Seiten gesagt wird, sie sei zu schwach für den Klassenerhalt, dürfte die Sechzig-Spieler nicht gerade bestärken. So bleibt vor allem eines: Eine fatale Außendarstellung!